
Tiroler Bäuerinnen im und nach dem Ersten Weltkrieg
Als Presseorgan des Bauernbundes wurde die Tiroler Bauern-Zeitung vom späteren Landeshauptmann Josef Schraffl, dem Priester und christlichsozial gesinnten Politiker Ämilian Schöpfer und dem Dichter Sebastian Rieger, weitläufig bekannt als Reimmichl, etabliert. Dass dieses Periodikum eine gewisse „Schlagseite“ hatte, ist somit naheliegend.
Besonders während des Ersten Weltkriegs, aber auch danach lassen sich spannende Erfahrungsberichte von Bäuerinnen finden. Inwiefern es redaktionelle Eingriffe gab, ist allerdings nicht bekannt.
Höfe ohne Männer
Die Kriegsmobilisierung um 1914 brachte eine bedeutende Störung der traditionellen Arbeitsteilung im ländlichen Raum mit sich; immerhin handelte es sich um 85.000 einberufene Männer, also um mehr als ein Drittel der um 1910 in der Tiroler Landwirtschaft Beschäftigten! Die Produktionsleistung war nun also von den Zuhausegebliebenen abhängig, unter anderem den Frauen. Sie hatten sich den unterschiedlichsten Anforderungen zu stellen. Eine Bäuerin schrieb 1917 beispielsweise an die Redaktion, dass ihr hoch verschuldetes Anwesen, welches der seit „der Mobilisierung einberufene Gatte“ übernommen hatte, mit 12.000 Kronen belastet sei. Zudem seien drei Kinder im Alter von sechs Monaten bis vier Jahren sowie der arbeitsunfähige Vater und der Onkel zu versorgen. Ferner mussten an stelle des Ehemanns zwei neue Dienstboten eingestellt werden, was die finanzielle Situation weiter anspannte. (Ausgabe 20. April 1917, 12)
Zu finden waren aber auch Beiträge von männlichen Zeitgenossen, die eine Fremdwahrnehmung auf weibliche Arbeit im Hinterland zeigten, etwa wenn von „schwerem und verantwortungsvollem Wirken“ der Bäuerinnen geschrieben wurde, das bislang zu wenig Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gefunden habe. Außerdem wurden Teile der städtischen Bevölkerung kritisiert, dort habe man „kaum einen Blick und ein Verständnis für die […] opferreiche und entsagungsvolle Arbeit […] [der] Frauen auf dem Lande.“ (Ausgabe 12. Jänner 1917, 5) Dieses Schreiben zeigt unter anderem den Stadt-Umland-Konflikt, der sich vor allem in Kriegszeiten zuspitzte.

Ein Sprachrohr für Frauen?
Der weibliche Bevölkerungsteil schien nun „ernster“ genommen zu werden, nicht zuletzt wegen der potenziellen Wahlstimmen. Dennoch wurde eine gewisse Distanz gewahrt, etwa wenn in der ersten Ausgabe stand, dass Frauen die Politik „nicht über die Familien- und Haushaltspflichten stellen, sondern sich im politischen Fahrwasser immer hübsch nahe dem Ufer halten“ sollten. (Ausgabe 28. März 1919, 7)
Nicht nur die belastenden Umstände an den Höfen waren für viele Schreiberinnen Thema ihrer Briefe, sondern auch die neue Landesteilung Tirols, etwa wenn sich eine Frau im September 1919 äußerte, dass nicht klar sei, wo die Gemeinde Arnbach (heutiges Osttirol) nun dazu gehören solle. Sie schrieb ferner, dass sie „hier lieber deutsch sterben als italienisch leben“ wollte. (Ausgabe 12. September 1919, 7)
Die Verschiebung der Grenze auf den Brenner war durch Unterzeichnung des Friedensvertrags von Saint-Germain am 10. September 1919 erfolgt und „Alttirol“ somit geographisch dreigeteilt worden. Ein besonders kritischer Brief einer Bäuerin aus dem Unterland, der die angespannte gesellschaftspolitische Situation in der Zwischenkriegszeit widerspiegelt, erschien im Jahr 1921: Darin äußerte sie, dass man zusammenhalten müsse, denn sonst werde man über die „Einheimischen“ herfallen. Gemeint waren vor allem „Juden und Reiche“, diese hätten unter anderem für die Bahn weniger bezahlt, außerdem dürften sie beim Baden „in Adams- und Evakostüm herummarschieren“. Die Behörden, die ihrer Meinung nach „schliefen“, bezeichnete sie als „Waschlappen“. (Ausgabe 16. Dezember 1921, 7)
Historische Zeitungen können also ob der umfangreichen Quellenlage ein ungeheures Potenzial für die Geschichtswissenschaften und darüber hinaus darstellen.