Marie Gabrielle Lodron im Lazarett in Pellizzano, ~1915–1918
Marie Gabrielle Lodron im Lazarett in Pellizzano, ~1915–1918

Unter dem Banner des Roten Kreuzes

Sie verbrachte vier Jahre ihres Lebens als Rotkreuz-Schwester im Ersten Weltkrieg. Später bildete sie für das Rote Kreuz Tirol Sanitäterinnen aus. 1929 wurde der Tiroler Berufskrankenschwester Marie Gabrielle Lodron die Florence-Nightingale-Medaille verliehen. Von Ernst Pavelka

Marie Gabrielle Gräfin zu Lodron-Laterano wurde am 14. November 1880 in Meran als Tochter von Hubert Graf und Emma Gräfin zu Lodron-Laterano und Castelromano geboren. Bis zum frühen Tod ihres Vaters 1885 verbrachte sie ihre Kindheit auf dem Stammsitz der Eltern Schloss Biberstein in Himmelberg. Da der Vater ohne männlichen Stammhalter verstarb und ihre Großväter aus der Linie des Zweitgeborenen der Lodron entstammten, ging aufgrund des Familienfideikommisses der Familienbesitz auf ihren Onkel Albert Graf zu Lodron-Laterano über. Marie Gabrielles Mutter ging somit des Schlosses Biberstein verlustig. Vermutlich übersiedelte die Familie daraufhin nach Schwaz.

Marie Gabrielle Lodron wurde zunächst beim Bayerischen Roten Kreuz in München zur Krankenschwester ausgebildet. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, meldete sie sich freiwillig zum Dienst in den Feldsanitätsanstalten. Als ausgebildete Krankenschwester gehörte sie zu einer von den Feldchirurgen bevorzugten Gruppe von Helferinnen. Denn im Gegensatz zu den nur kurz ausgebildeten Hilfsschwestern konnten diese auch bei Operationen assistieren.

Marie Gabrielle zu Lodron-Laterano im Alter von rund 30 Jahren, Fridolin Arnold, ~1910
Marie Gabrielle zu Lodron-Laterano im Alter von rund 30 Jahren, Fridolin Arnold, ~1910

Kriegserinnerungen

In ihren 1931 erschienenen „Souvenirs de guerre“ schreibt „Schwester Ella“, wie Marie Gabrielle auch genannt wurde: „Beseelt vom Geist des edlen Gründers des Roten Kreuzes, Henri Dunant, und inspiriert von Florence Nightingale, die vor ihm für dieselbe Idee gearbeitet hatte, machten wir uns nicht auf den Weg gegen den Feind, sondern wünschten aus tiefstem Herzen, jedem Mann zu helfen und ihn zu pflegen, der sein Blut für sein Vaterland vergießen musste.“ Es folgen Schilderungen der medizinischen und psychischen Versorgung verwundeter Soldaten, der schwierigen hygienischen Bedingungen in den Feldlazaretten, des Kampfes gegen Infektionskrankheiten und den Wundstarrkrampf, der Bestattung der Leichen mit „Kalkwasser“ (Kalkmilch, Calciumhydroxid) in Sammelgräbern oder überstürzter Evakuierungen aktiver Lazarette. Sie geben wieder, was viele jener Frauen, die als säkulare Helferinnen oder als Ordensschwestern am Ersten Weltkrieg teilnahmen, erfahren haben.

Nach zuerst mehrmonatigem Einsatz in Frankreich sollte sich Marie Gabrielle in Galizien alleine einer Sanitätskolonne anschließen, die wahrscheinlich mit der „Freiwilligen Sanitätskolonne Tirol II vom Roten Kreuz“ identifiziert werden kann. Da sie die Kolonne in Bielsko/Bielitz verpasste, reiste sie ihr über mehrere Tage nach.

In Tuchów gelang es ihr schließlich, sie einzuholen. Im Juni 1915 wurde die Sanitätskolonne Tirol II infolge des Kriegseintrittes Italiens nach Südtirol verlegt. Wir finden Schwester Ella ab jetzt im Sulztal (Val di Sole) und in Pellizzano. Hier erlebte sie nicht nur die Folgen des Einsatzes von Giftgas, sondern auch Opfer von Lawinen wurden behandelt. Als die Spanische Grippe ausbrach, weitete man die Tätigkeit des Lazaretts auf die Zivilbevölkerung aus. Hier am Tonalepass soll Marie Gabrielle als Oberschwester ein Typhusspital geleitet haben.

Nach überstürztem Abzug aufgrund der vorrückenden italienischen Truppen geriet Marie Gabrielle Anfang November 1918 mit anderen Krankenschwestern in Malé in italienische Kriegsgefangenschaft. Nach drei Wochen ging es nach Trient, wo der Gruppe aufgrund einer Intervention von Marie Gabrielle beim Wachkommandanten die Freilassung in Aussicht gestellt wurde. Am 25. November wurde sie von italienischen Militärs zur österreichischen Grenze begleitet, wo man sie freiließ.

Marie Gabrielle in der Schwesterntracht des Roten Kreuzes, 1915. Die Fotografie trägt ihre eigenhändige Unterschrift.
Marie Gabrielle in der Schwesterntracht des Roten Kreuzes, 1915. Die Fotografie trägt ihre eigenhändige Unterschrift.

Florence-Nightingale-Medaille
Zurückgekehrt engagierte sich Marie Gabrielle Lodron sofort beim Heimkehrerdienst des Roten Kreuzes Tirol. In den 1930er-Jahren ist sie als Lehrschwester sowohl bei Hauskrankenpflege- als auch bei Kursen für „weibliche Samariter“ (=Sanitäterinnen) (!) des Tiroler Roten Kreuzes belegt. Hauptberuflich arbeitete sie bei einem Innsbrucker Orthopäden.

Am 2. Juli 1929 wurde Marie Gabrielle Lodron in Innsbruck die höchste Auszeichnung des Internationalen Roten Kreuzes für Krankenpflegepersonal, die Florence-Nightingale-Medaille, verliehen. Die Laudatio hielt die Präsidentin des Frauenhilfsvereines vom Roten Kreuz für Tirol Ottilie Stainer, die Medaille wurde der Geehrten von Landeshauptmann-Stellvertreter Tragseil an die Brust geheftet.

Stiftsdame
Neben ihrer Wohnadresse im Palais Enzenberg zu Schwaz hatte Marie Gabrielle seit 1935 eine Adresse im Adeligen Damenstift und wurde als „Ehrenstiftsdame“ geführt. Voll eingetreten scheint sie aber erst 1947 als Ersatz für ihre 1935 aufgenommene, jetzt verstorbene Schwester Caroline zu sein. Marie Gabrielle war damit eine der drei letzten Stiftsdamen, die damals noch im Stift lebten.

Tod und Begräbnis
Marie Gabrielle Lodron verstarb am 14. Juni 1964 in Schwaz. Sie liegt in der Grabstätte des Theresianischen Damenstifts auf dem Innsbrucker Westfriedhof begraben.