
Innsbruck vor 100 Jahren
4. April
Vom Tiroler Landeshaushalte. Gebahrungsausweis vom 2. April bis 2. Mai 1923. Erfordernis 4.278.5 Millionen Kronen. Hievon entfallen auf: Gehälter und Pensionen der Beamten 633 Millionen, Gehälter und Pensionen der Lehrer 1881 Millionen, Landesirrenanstalt Hall 160 Millionen, Landwirtschaftliche Landeslehranstalten 106 Millionen, Oeffentliche Bauten 803 Millionen, Spitäler und Krankenverpflegskosten 302.5 Millionen. Bedeckung 3.762 Millionen Kronen; Abgang 516.5 Millionen Kronen.
7. April
Innsbrucker Lebensmittelmarkt. Mit der fortschreitenden Jahreszeit treten auf dem Gemüsemarkt immer mehr Händler auf; es ergibt sich dadurch die Notwendigkeit, Händler und Produzenten zu trennen und diese aus der Seite längs des Ursulinenklosters aufzustellen. Der Gemüsemarkt erhält dadurch sein gewohntes Gepräge und einen erhöhten Verkehr. In der Berichtswoche gab es den ersten einheimischen Salat, den sogenannten Fenstersalat; da er mit viel Mühe im Treibhaus gezogen ist, ist auch der Preis dementsprechend hoch. Die Nachfrage ist nicht sonderlich, da ausreichend italienischer Salat vorhanden ist. Auch die ersten Schwämme, Ritterlinge und Lorcheln, waren angeboten. Die große Knappheit an Butter hält an, dabei herrscht ziemliche Nachfrage, die kaum gedeckt werden kann. Das Angebot an Eiern ist befriedigend, bemerkenswert wäre das Angebot an Gänseeiern. Fleisch- und Fischpreise blieben in der Berichtswoche unverändert.
7. April
Die Lebensmittelpreise in Innsbruck stellen sich pro Kilo (Stück) in Kronen wie folgt: Orangen 700 bis 1600, Zitronen 500 bis 900, Feigen 10.000 bis 12.000, Kartoffel 800 bis 1000, Kohl 2600, Karfiol (Stück) 3000 bis 15.000, Weißkraut 2600, Blaukraut 1800 bis 2000, Sauerkraut 1400 bis 2000, Kohlrüben 2000, Rübenkraut 1200 bis 1800, Endivien 8000 bis 10.000, rote Rüben 800 bis 1000, gelbe 1500 bis 2000, weiße 600, Rettig (Stück) 200 bis 500, Suppensellerie (Stück) 100 bis 6000, Salatsellerie 3000, Petersilie (Bund) 300 bis 400, Porree 200 bis 500, bayerischer Kren 10.000, Zwiebel 1600 bis 2800, Vogerlsalat 8000, Gartenkresse 8000, Schwämme (grauer Ritterling) 8000, Salat (Glashaus, pro Stück) 3000, Froschschenkel (pro Stück) 260. Rindfleisch 20.000 bis 28.000, Kalbfleisch 20.000 bis 26.000, Schaffleisch 15.000 bis 18.000, Schweinefleisch 28.000 bis 29.000, Gefrierfleisch 16.000 bis 18.000. Butter 54.000 bis 56.000, Eier 5200 bis 5600 pro Schuß, Gänseeier 4000 pro Stück.

9. April
Hofrat Franz Wieser †. Gestern vormittag ist in Innsbruck der ehemalige Professor der Geographie an der Universität Innsbruck und langjährige Vorstand des Museums „Ferdinandeum", Hofrat Dr. Franz Ritter v. Wieser im Alter von 75 Jahren gestorben. Hofrat Wieser, der am 18. Oktober 1848 geboren worden war, hat sich während seines langen Lebens als akademischer Lehrer, als Vorstand des durch ihn zu so hoher Blüte gebrachten Museums „Ferdinandeum" und als Landeskonservator für Denkmalpflege, sowie als Gelehrter auf dem Gebiete der Geographie wie der Prähistorie und der tirolischen Kunstgeschichte unvergängliche Verdienste erworben. Hofrat Wieser wurde wiederholt geehrt. So wurde er seinerzeit zum wirklichen Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien und vor einigen Jahren zum Ehrenmitglied des Museums „Ferdinandeum" ernannt. Wir werden das Schaffen dieses unermüdlich tätig gewesenen Gelehrten noch eingehend würdigen.
11. April
Eine alte Innsbruckerin gestorben.Es wird uns geschrieben: Im Franz Josef-Siechenhause verschied am 9. d. M Fräulein Maria Pusch, eine nahe Verwandte des Landesrates Dr. Anton Pusch, im Alter von 91 Jahren. Mit ihr wird heute ein Stück Alt-Innsbruck zu Grabe getragen. Sie ward geboren im Jahre 1832 als jüngste Tochter des Statthalterei-Registratursbeamten Gottfried Pusch, der seinerzeit eine Chronik der Stadt Innsbruck angelegt und sie bis zu seinem im Jahre 1865 im 80. Lebensjahre erfolgten Tode fortgeführt hat. Die Chronik befindet sich schon seit vielen Jahren im Besitze der Stadtgemeinde. Seine Tochter Maria war eine lebende Chronik. Ihr ganzes Leben verbrachte sie in Innsbruck; lebhaften Geistes überhaupt, war sie noch besonders ausgezeichnet durch ein sehr gutes Gedächtnis, in dem sie die Erinnerung an alle halbwegs bedeutenden Ereignisse in ihrer geliebten Vaterstadt treu bewahrte. Es war eine Freude, ihren Erzählungen aus der „guten alten Zeit“ zu lauschen. Gedichte, die sie in ihrer Jugend gelernt und vorgetragen hatte, z. B. Schillers „Lied von der Glocke“, konnte sie noch in Ihrem 90. Lebensjahre wortgetreu wiedergeben. Selbst für die hohe Politik, insbesondere für die österreichische Sanierungsaktion, hegte sie bis kurz vor ihrem Tode lebhaftes Interesse, nur in die ungeheuerliche Teuerung unserer Tage konnte sie sich nicht mehr finden. So möge sie denn die erwünschte und erhoffte Ruhe in ihrer lieben Heimaterde an der Seite ihrer Eltern finden. Der Tod erschien ihr in Wahrheit als ein Erlöser aus der Trübsal unserer Zeit und unseres Volkes. Ehre ihrem Andenken! Das Begräbnis findet heute um ¼ 3 Uhr nachmittags am städtischen Friedhof statt.
16. April
Das Brot wird teuerer! Wenn auch das Mehl eine sinkende Preistendenz aufweist, so wirkt die Warenumsatzsteuer doch auf alle Lebensmittel preiserhöhend. Deshalb hat auch die Innsbrucker Bäckergenossenschaft das Kilo Schwarzbrot um 200 K und das Kilo Weißbrot um 400 K im Preise erhöht, während halbweißes Brot und Kleingebäck im Preise unverändert bleiben. Es werden daher ab Montag folgende Brotpreise gelten: 1 Kilo Schwarzbrot 8100 K, 1 Kilo Halbweißes 6800 K, 1 Kilo Weißbrot 8000 K (per Wecken zu ½ Kilo 4000 K, eine Zeilensemmel 2000 K).
19. April
Fußbälle für Mittelschüler. Der Schweizer Fußballverband hat durch den österreichischen Fußballverband einige neue Fußbälle als Spende übermittelt, mit der ausdrücklichen Bestimmung, daß diese Bälle Schulen zukommen sollen. Diese Bälle schreibt der Fußballverband als Preise für gute Schülermannschaften aus. Sie können nach den Cupspielregeln von den Schülermannschaften erworben werden. Anmeldungen von Schülermannschaften bis 30. April beim Fußballverband. An die Direktionen ergeht vom Verband das Ersuchen, Schülermannschaften zusammenstellen zu lassen. Nähere Auskünfte erteilt der Fußballverband in der Museumstraße.
20. April
Diebstähle. Eine 40jährige Frauensperson lernte abends einen Südbahnangestellten aus Kufstein kennen. In der Fabriksallee stahl sie ihm seine Brieftasche mit einer 50 Lire-, einer 10 Lire-Note und mit 3000 K. – Einer Frau aus Hall kam auf der Maria Theresienstraße ihre Geldtasche mit 50.000 K Inhalt abhanden. – In einem Tuchgeschäfte in der Museumstraße wurden zwei Stück Herrenkammgarnstoffe zu 9 und 10 Metern gestohlen. – Aus einem Hühnerstall in Mühlau wurden neun Hennen und ein Hahn im Werte von 900.000 K entwendet. Die Hühner waren im Stalle geschlachtet worden.
20. April
Einer von der Dollarfälscherbande festgenommen. Unter dem Verdachte, falsche 100 Dollarscheine ausgegeben zu haben, wurde in einem Innsbrucker Hotel ein Mann ausgeforscht und verhaftet. Die weiteren Erhebungen in Wien werden erst ergeben, ob es sich tatsächlich um ein Mitglied jener internationalen Dollarfälscherbande handelt, von der wir vor einigen Tagen berichtet haben.
21. April
Ein Föhnsturm von ungewöhnlicher Stärke durchlebte die vergangene Nacht bis in die Morgenstunden das Innsbrucker Stadtgebiet. Gegen Mitternacht erhob sich der Sturm und wuchs immer mehr an, heulte und pfiff durch Kamine, rüttelte an den Fensterläden und Türen, weckte wohl die ganze Bevölkerung aus dem Schlaf. Ob der Kampf in den Lüften die Wetterwolken zerstreut oder erst recht schwere Regenwolken zusammentreibt, wird sich im Laufe des heutigen Tages erst zeigen.
23. April
Jugend von heute. Ein 14- und ein 18-jähriger Bursche, beide schon vorbestraft, sind gute Freunde. Der Aeltere hat vor einigen Tagen seiner Mutter, einer armen Witwe, die nur geringe Pension bezieht, ihre Kleider, Wäsche und Schmuck gestohlen und verkauft. Seiner Mutter sandte er ein Telegramm, man möge sich um ihn nicht kümmern, er werde schon wieder kommen. Die beiden Burschen haben den Erlös der gestohlenen Gegenstände
(1½ Millionen K) in zwei Tagen verbraucht. Sie besuchten Theater, Restaurants, Kaffeehäuser, spielten Hasard, und waren sehr freigebig. Im Theater hatten sie eine Loge gemietet und von dort aus Blumen auf die Bühne geworfen. Dadurch lenkten sie die Aufmerksamkeit des anwesenden Polizeibeamten auf sich, der die Burschen zur Ausweisleistung anhielt. Da die Mutter von einer Anzeige Abstand nahm, konnte eine gerichtliche Verfolgung der Burschen, für die wohl eine Tracht Prügel die beste Kur wäre, nicht eingeleitet werden.
30. April
Das Bier wird wieder teuerer! Der Brauereiverband für Nordtirol hat den Bierausschankpreis für einen Liter auf 4600 K, für einen halben Liter auf 2300 K, für drei Zehntel Liter auf 1600 K und für einen halben Liter Flaschenbier auf 2700 K erhöht. Die neuen Preise treten schon morgen (wohl zur besonderen Feier des 1. Mai) in Kraft.
Anmerkung:
Im Jahre 1923 entsprach der Kaufwert von 1000 Kronen in etwa dem heutigen Gegenwert von € 0,54.
Egger, Matthias/Morscher, Lukas (Hrsg.)
"Kanalisation ist eine ganz nette Sache ..." Aspekte der Infrastruktur in der Innsbrucker Altstadt (Veröffentlichungen des Innsbrucker Stadtarchivs, Neue Folge 76), Innsbruck 2023
19,90 €
ISBN 978-3-7030-6592-7
220 Seiten, gebunden
Erhältlich im Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck und im gut sortierten Buchhandel.