Zwei Seiten aus Trude Löfflers Tagebuch (29. April–8. Mai 1955).
Zwei Seiten aus Trude Löfflers Tagebuch (29. April–8. Mai 1955).

Eine Innsbrucker Künstlerin und ihre Tagebuchsammlung

Tagebücher geben Aufschluss über die schreibende Person und deren Alltagsleben. Auf außergewöhnliche Art und Weise hat Trude Löffler ihre Tagebücher über Jahrzehnte geführt. Ihre täglichen Aufzeichnungen berichten von einem Innsbrucker Frauenleben im 20. Jahrhundert und rufen eine beinahe vergessene Tiroler Künstlerin in Erinnerung.

von Claudia Frick

Die Entwicklungsgeschichte des Tagebuchschreibens geht bis in die Antike zurück. Schriftgelehrte, Geistliche und Kaufleute dokumentierten sachlich öffentliche Ereignisse, Wetterverhältnisse oder Marktpreise, bis zu Beginn der Neuzeit in diese Aufzeichnungen auch persönliche Gefühle und Erlebnisse miteinflossen. Durch das verbesserte Bildungssystem und erschwinglichere Schreibmaterialien wurde es Anfang des 20. Jahrhunderts auch in den heimischen Sphären modern, den Alltag zu verschriftlichen. Insbesondere innerhalb der bürgerlichen Familien entwickelten sich die Tagebücher zu einem beliebten Geschenk für die heranwachsenden Töchter, die darin ihre Gedanken und Tagesabläufe niederschreiben sollten.

Trude Löfflers Tagebuchsammlung und ihre Besonderheiten

Auch die Innsbruckerin Trude Löffler (1909–2006) führte Tagebuch - oder besser gesagt Tagebücher, denn ihre Tagebuchsammlung umfasst 18 Bücher. Sie begann sechzehnjährig im Oktober 1925 mit ihren Aufzeichnungen und beendete diese im Dezember 1991 mit 82 Jahren. Die Einträge, die beinahe ein ganzes Jahrhundert umfassen, führte Trude Löffler außerordentlich konsequent, erstaunlich regelmäßig und vor allen Dingen über Jahrzehnte hindurch. Jeder einzelne Tag wird mit Wochentag und Datum aufgezählt und dabei der jeweilige Tagesablauf streng gegliedert beschrieben. Ihre Aufzeichnungen spiegeln ein Innsbrucker Frauenleben und ihr künstlerisches Engagement im 20. Jahrhundert wider, das geprägt ist von den unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Einflüssen dieser Zeit.

Wer war Trude Löffler?

Gertrude (Trude) Maria Müller, verehelichte Löffler, kam am 19. August 1909 in Innsbruck als erstes von zwei Kindern des Ehepaars Felix und Regina Müller zur Welt. Trude wuchs in privilegierten Verhältnissen auf und konnte eine höhere Schule besuchen, welche sie mit der Reifeprüfung abschloss. Am 20. September 1930 heiratete sie den um 16 Jahre älteren Facharzt für Urologie Dr. Leopold Löffler, den Trude in ihren Tagebüchern Poldi nannte. Aus dieser Ehe gingen die drei Söhne Reinhold, Gerhard und „Nachzügler“ Martin hervor. Beim ersten Luftangriff auf Innsbruck durch die Alliierten im Dezember 1943 wurde Trudes Wohnung ausgebombt und bis zum Kriegsende musste sie mit ihren Kindern in Steinach am Brenner wohnen.

Im April 1946 kehrte Leopold aus der Kriegsgefangenschaft zurück und nahm seine Tätigkeit als Urologe in Innsbruck wieder auf. Fortan führte Trude ein für damalige Verhältnisse und ihre soziale Stellung als Arztgattin „typisches“ Frauenleben in Tirol, kümmerte sich um Haushalt und Familie, ging gesellschaftlichen Verpflichtungen nach und besuchte als gläubige Christin regelmäßig die katholische Messe. Doch verschaffte sie sich auch Freiraum für ihre eigenen Hobbys und Interessen wie Skifahren, Reisen und Kunst.

Trude Löffler, "Blumenvase Stillleben", ohne Jahresangabe (Ausschnitt).
Trude Löffler, "Blumenvase Stillleben", ohne Jahresangabe (Ausschnitt).

Verstrickt in die Tiroler Kunstszene

Trude Löfflers Leben war stark geprägt von ihrer Leidenschaft für die Kunst. Bereits in den frühen 1950er-Jahren reiste sie nach Florenz, Rom, Neapel und Paris, um sich dort berühmte Bauten und Kunstwerke anzusehen. Auch selbst betätigte sie sich jahrelang als Künstlerin. Schon als junges Mädchen vermerkte sie in ihrem Tagebuch akribisch, wo und wann sie gemalt hatte. Ihre regelmäßigen Aufenthalte in Kitzbühel, wo die Familie Löffler ein Anwesen besaß, brachten sie mit dem dort lebenden Künstler Alfons Walde und dessen Freundeskreis zusammen. Auch mit Hilde Goldschmidt, eine nach dem Zweiten Weltkrieg in Kitzbühel lebende bekannte Malerin, war Trude eng verbunden. Zahlreiche Besuche in Goldschmidts Atelier sind im Tagebuch vermerkt, ebenso wie Zeichen- und Malkurse, die sie bei der Künstlerin belegte.

Trude Löffler arbeitete in den Techniken Aquarell, Pastell, Kohle und Öl und stellte ihre Werke zwischen 1972 und 1990 mehrmals aus. Große öffentliche Aufmerksamkeit erhielt die Ausstellung „Skizzen aus Südtirol“ in der Galerie Am Dom im Jahre 1974, wo Trude Landschaftsmotive präsentierte, von denen sie auf ihren vielen Italienreisen inspiriert worden war. Den Höhepunkt dazu stellte ein Radiointerview, ausgestrahlt am 16. Februar 1974, mit dem Leiter der ORF-Kulturabteilung Dr. Theo Braunegger und Trude dar. Auch im Tiroler Unterland, in Rattenberg und Kitzbühel, präsentierte sie ihre Kunst. Unter dem Titel „Ölbilder, Aquarelle und Zeichnungen“ fand im Jahr 1978 eine Ausstellung im Kurhaus Kitzbühel statt.

Dass Trude Löffler keine Unbekannte in der Tiroler Kunstszene war, bestätigt auch der Eintrag in der Publikation „Künstlerinnen in Tirol. Ein Handbuch für Interessierte“, die im Jahre 1994 erschien. Darin beschreibt die Künstlerin ihre Arbeiten als „realistisch, der Natur nachempfunden“. Im Laufe ihres Lebens schuf Trude Löffler über 500 Kunstwerke - vor allem Landschafts- und Blumenbilder. Leider ist nicht dokumentiert, wo sich Trude Löfflers Bilder heute befinden. Zumindest ein Bild wird im Stadtarchiv Innsbruck aufbewahrt.