Blick in die tiefverschneite Maria-Theresien-Straße, um 1930.
Blick in die tiefverschneite Maria-Theresien-Straße, um 1930.

Innsbruck vor 100 Jahren

Aus dem Stadtarchiv von Matthias Egger

4. März
Der Föhn ist nun mit voller Macht ins Inntal eingebrochen und bekämpft den Winter mit der vernichtenden Waffe seines heißen Atems im Verein mit der wärmenden Kraft der Märzsonne. Schon Samstagmittags schmolz der Schnee auf allen Straßen, der gestrige Sonntag war vom Föhn beherrscht, der sich in der vergangenen Nacht zu einem heftigen Sturm verstärkte. Was die ungeheuren Schneemassen befürchten ließen, die Ueberflutung der Straßen und Wege durch das schmelzende Schneewasser, hat sich bereits gezeigt. Auch in jenen Straßen, in die die städtische Schneereinigung trotz zehnwöchiger Arbeit noch nicht hingedrungen ist, macht der Föhn gründliche, wenn auch nasse Arbeit. Heute früh ist zum erstenmal die Frostbildung ausgeblieben, ein Zeichen der befestigten Macht des Südwindes.

5. März
Faschingstreiben in Innsbruck. In den Straßen unserer Stadt herrschte gestern nachmittags lebhaftes Faschingstreiben. Von drei Uhr an zogen Masken, einzeln und im Zuge, durch die Stadt, von der Bevölkerung, insbesondere aber von der Jugend akklamiert und begleitet. Ein regelrechter Faschingszug, wie er in der Vorkriegszeit immer von Pradl aus in die Stadt gezogen war, kam heuer nicht zustande;
auch die übrigen Masken boten nicht viel Originelles. Ein junger Mann heftete am Burggraben eine alte Extra-Ausgabe der „Innsbrucker Nachrichten“ über den Kapp-Putsch an; auf diesen Faschingswitz fielen auch wirklich mehrere Personen herein und verbreiteten das Gerücht, daß in Berlin neuerlich ein Umsturz erfolgt sei. – Die Vergnügungsstätten waren in der Nacht auf den Aschermittwoch durchwegs überfüllt und erst am hellen Morgen fand das tolle Karnevalstreiben ein Ende.

8. März
Vom Kaiserjägerbund. Wie uns mitgeteilt wird, hat Oberst von Tschan, der frühere Präsident des Kaiserjägerbundes, wegen der im Bunde herrschenden Differenzen seine Ehrenpräsidentenwürde niedergelegt und hat seinen Austritt aus der
Innsbrucker Ortsgruppe und aus dem Bunde vollzogen.

Oberst Ludwig von Tschan (1865–1929) hatte seine gesamte militärische Laufbahn über bei den Tiroler Kaiserjägern gedient.
Oberst Ludwig von Tschan (1865–1929) hatte seine gesamte militärische Laufbahn über bei den Tiroler Kaiserjägern gedient.

13. März
Vorsicht bei Straßenkreuzungen! Aus dem Leserkreis wird uns geschrieben: Am Dienstag wurde um 2 Uhr nachmittags an der Ecke Maria Theresienstraße-Landhausstraße ein einarmiger Invalider von einem von einer Frau gelenkten einspännigen Leichtfuhrwerk niedergestoßen, das, ohne sich um den Verunglückten zu kümmern, in Richtung Hauptbahnhof weiterfuhr. Wenn der Betreffende diesmal auch mit dem bloßen Schrecken davongekommen zu sein scheint, so kann doch nicht eindringlich genug daran erinnert werden, beim Ueberschreiten und Befahren von Straßenkreuzungen die nötige Vorsicht zu beobachten. Auch könnte sich unsere Sicherheitsbehörde einmal der sträflichen Unsitte, unerfahrenen Personen, ja sogar Kindern die Lenkung größerer Fahrzeuge in belebten Straßen anzuvertrauen, schärfer entgegentreten.

15. März
Vom Stadttheater leihweise benützte Möbel, wie Salongarnituren, Paravent, Stockerln, Sessel, Säulen, Phantasietische, ist noch manches im Möbelhaus Karl Fuchs und Bruder, Wilhelm-Greilstraße 4, zu Spottpreisen erhältlich. Auch sonstige Möbelstücke.

18. März
Probeläute in Wilten. Die neuen Glocken der Pfarrkirche Wilten sind nun montiert. Am Josefitag um ½ 11 Uhr vormittags findet das Probeläuten statt. Der Glockenausschuß ladet die Bevölkerung ein, sich das Läuten anzuhören und empfiehlt hiezu als geeignetsten Ort die Brennerstraße.

Am 18. März 1924 erklang erstmals die neue Glocke der Pfarrkirche Wilten.
Am 18. März 1924 erklang erstmals die neue Glocke der Pfarrkirche Wilten.

20. März
Wäschediebstahl. In der Universitätsstraße wurde am 15. März ein größerer Wäschediebstahl verübt. Als Täter wurde ein Fleischhauergehilfe ausgeforscht und dem Gerichte eingeliefert. Der Bursche hat die gestohlene Wäsche einem Lokalbahnschaffner und einer Frau in Hötting um billiges Geld verkauft.

24. März
Gründung des Union-Sportklubs. In den Räumen des ehemaligen Militärkasinos in den Innsbrucker Stadtsälen hat der erst vor kurzem ins Leben gerufene Union-Sportklub sein Quartier aufgeschlagen. Die Räume sind zwar von der Stadt bis Juli an ein Spielbankkonsortium vermietet, ohne daß aber das Konsortium die Räume auch wirklich benützt. Vom Juli angefangen wind der Union-Sportklub Herr in diesen Räumen sein. Der Klub hat sich die Pflege der Geselligkeit, Sport und Spiel zur Aufgabe gemacht, wobei er seinen Mitgliedern ein möglichst gemütliches Vereinsheim bieten will. Die Pflege des Sportes wird alle Sportarten umfassen; bezüglich des Spieles sind erlaubte Kartenspiele, so Bridge, Whist, ferner Ekarté nach Wiener Muster geplant. […]

27. März
Erdbeben. Gestern abends um 6 Uhr erschütterte ein kurzer, aber ziemlicher heftiger Erdstoß das Innsbrucker Stadtgebiet. Man spürte einige Stunden lang deutlich eine Erschütterung, wie wenn ein schweres Gewicht auf den Boden aufgeschlagen hätte. Der Stoß wurde auf der Straße und in den Häusern vielfach wahrgenommen.

29. März
Im Konditorei-Café Schindler tritt ab 1. April eine neue Künstler-Kapelle unter Kapellmeister Richard Oehlenschläger auf, die bis jetzt in einem der bekanntesten Wiener Nachtlokale, in der „Hölle“, gespielt hat.

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