
Innsbruck vor 100 Jahren
2. Juni
Tabakbauverbot. Die Tabakverschleißbehörde teilt mit, dass sich das Tabakbauverbot auf alle Abarten der Gattung „Nicotiana“ bezieht. Die im Jahre 1911 erfolgte Freigabe des Anbaues einzelner Nicotiana-Arten als Zierpflanzen ist aufgehoben.
6. Juni
Der Eisenkönig Schaden auf der Maria Theresienstraße. Gestern war die von zahlreichen Zuschauern belebte Maria Theresienstraße der Schauplatz einer ungewöhnlichen Vorführung. Der gegenwärtig im Colosseum auftretende 16jährige Oberösterreicher August Schaden produzierte sich in einer „Gratisvorstellung“ als „Eisenkönig“ vor den Passanten der Maria Theresienstraße. Bei der Uhr spannte sich Schaden vor einem schweren Lastenwagen, der zirka 40 Personen trug und nahm eine lange Eisenstange, an der der Wagen befestigt war, zwischen die Zähne. Zwei Pferde waren an diese Eisenstange angespannt und zogen die Stange während die ganze Last des Wagens an den Zähnen des jugendlichen Eisenkönigs hing. Schaden zog den Wagen bis zum Landhaus und wieder zurück bis zur Uhr. Eine stattliche Anzahl Neugieriger folgte mit Interesse der Produktion des jungen Eisenkönigs.
8. Juni
Bahntarife für Hunde. Es wird uns geschrieben: Ich war kürzlich an der Gepäckstrasse am Bahnhofe in Salzburg Zeuge folgender Szene: Ein Herr verlangte für seinen Hund einen Fahrschein nach Innsbruck. Er bezahlte dafür 6000 K. Gleich darauf verlangte ein zweiter Reisender ebenfalls für einen Hund einen Fahrschein bis Rattenberg. Der Kassier forderte dafür 8000 K. Auf die erstaunte Frage des Reisenden, warum er für seinen Hund um 2000 Kronen mehr bezahlen solle, als jener Herr nach Innsbruck, der um fast 40 Kilometer weiterfährt, meinte der Kassier: „Die Südbahn will auch etwas verdienen; hätten Sie für Ihren Hund eine Karte bis Innsbruck gelöst und wären Sie in Rattenberg ausgestiegen, so hätten Sie auch nur 6000 K bezahlen müssen. Das ist Tarifpolitik.“
9. Juni
Hundertjähriges Jubiläum des Museum Ferdinandeum. Freitag, den 15. d. M. abends 6 Uhr findet im Musikvereinssaale aus Anlass des hundertjährigen Bestandes des Museum Ferdiandeum eine Festversammlung statt. […]
11. Juni
Die Bergfeuer am gestrigen Herz-Jesu-Sonntag waren von prächtigem, wolkenreinen Frühsommerwetter begünstigt. Bald nach Einbruch der Dämmerung gegen ½ 9 Uhr abends flammte es auf allen Höhen auf und bald zog sich wie eine funkelnde Rubinkette die Reihe der Höhenfeuer von Spitze zu Spitze über Grate und Kämme. […]
12. Juni
Theater im Löwenhaus. Direktor Max Höller, der die vereinigten Linzer Bühnen seit Jahren mit großem Erfolg leitet, hat das Löwenhaustheater auf eine Reihe von Jahren gepachtet und gründlich umbauen, sowie neu ausgestalten lassen. Die Eröffnung dürfte Ende Juni erfolgen. Zur Aufführung gelangen Volksstücke, Volksschauspiele sowie die beliebten Original-Pradler Ritterspiele. Neben Direktor Höller wird auch dessen Gattin Anna Höller-Weiß gastieren.
18. Juni
Einschränkung des Bezuges zollfreier Liebesgabensendungen. Das Zolloberamt Innsbruck teilt mit: Durch eine Verfügung des Bundesministeriums für Finanzen wird die bisher eingeräumte Zollfreiheit für an private Einzelpersonen eingehenden Liebesgabensendungen aufgehoben. […]
20. Juni
Der Wettersturz. Die Begleiterscheinungen des Kälteeinbruchs, ununterbrochener Regen im Tale und Schnee bis zum Mittelgebirge, dauern bis zur Stunde an. Die katastrophale Wirkung des Schneefalles auf den Bergen wird sich besonders in der Almwirtschaft bei dem bereits auf die Almweide getriebenen Vieh bemerkbar machen. Der Schnee und die Kälte drängen das Almvieh in die Ställe und entziehen ihm das unentbehrliche Grünfutter, so dass bei längerer Andauer der kalten Witterung ein Almabtrieb in vielen Fällen unvermeidlich werden wird. […]
21. Juni
Ein Blumenliebhaber. In mehreren Gärten wurden viele Blumen, besonders Rosen, Lilien und Nelken gestohlen. […]
23. Juni
Eine Korrespondenzkarte, die elf Jahre auf dem Wege war. Man schreibt uns: Ein Bundesbeamter erhielt dieser Tage von seiner im Jahre 1913 verstorbenen Schwester eine Osterkarte, die laut Poststempel im Jahre 1912 beim Postamte Dorf Riedau in Oberösterreich aufgegeben wurde. Selbstverständlich war die Karte mit dem damals üblichen Porto […] versehen. Heute musste der Empfänger für die Zustellung der Karte ein Strafporto von 400 Kronen erlegen. Es frägt sich nun, wer eigentlich der Schuldtragende ist, wo die Karte so lange im Postfache gelegen, und wieso das Postamt heute dazu kommt, für eine ordnungsgemäße aufgegebene Postkarte ein Strafporto vom Empfänger anzufordern. Dass die Karte über 11 Jahre gebraucht hat, um in die Hände des Adressaten zu gelangen, dafür kann der Empfänger nichts.
30. Juni
In den Inn gesprungen. Am 19. d. M. sprang auf der Innbrücke zwischen Terfens und Weer eine junge Frauensperson in den Inn. Sie war mit dem Nachmittagszug von Innsbruck gekommen und kehrte in der Restauration Klingler zu, speiste dort, ersuchte dann die Kellnerin um ein Schreibzeug und schrieb in aller Ruhe drei Briefe, zwei nach Kufstein und einen nach Innsbruck, zahlte dann und begab sich gegen Weer auf die Innbrücke. Sie wurde beobachtet, wie sie auf das Geländer stieg; als dann der Postbote von Weer sich ihr nahte, führte sie schreiend den Sprung mitten in den Inn aus. Sie schrie noch im Wasser ein paarmal und verschwand dann in den Fluten des Inn. Die Reisetasche ließ sie auf der Innbrücke zurück.