
Heiße Zeiten auf dem Prüfstand
33 Hitzetage, das sind Tage mit Temperaturen über 30 Grad: Der letztjährige Innsbrucker Sommer war schweißtreibend und leider kein Einzelfall. Ganz im Gegenteil, die Tendenz zeigt nach oben. Gerade für Städte ist das häufigere Auftreten von heißen Tagen und die Intensivierung von Hitzewellen eine besondere Herausforderung. Begründet wird dies mit zu vielen versiegelten bzw. verbauten Flächen und zu wenig Grün. Messungen und Modelle zeigen, dass im Alpenraum mit rund der doppelten Erwärmung als im globalen Schnitt gerechnet werden muss.
"Dieser Überhitzung haben wir schon vor Jahren den Kampf angesagt und eine Stadtklimaanalyse erarbeiten lassen“, betont die für Klimafragen zuständige Stadträtin Mag.a Uschi Schwarzl: „Natürlich ist das nur ein erster Schritt, aber ein sehr essentieller. Schließlich dient die Stadtklimaanalyse als Grundlage für notwendige und effektive Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel. Dazu zählen Begrünungen, Entsiegelungen, die Freihaltung von Kaltluft- und Frischluftschneisen oder der Einsatz von Wasserflächen. Einige dieser Maßnahmen haben wir schon umgesetzt – zum Beispiel bei der Schaffung von Grüninseln, im Zuge des Baumreihenkonzepts oder mit klimafitten Platzgestaltungen zur Hitzereduktion wie bei Cool-INN im Messepark. Weitere konkrete Projekte wie COOLYMP am DDr.-Alois-Lugger-Platz befinden sich gerade in der Planungsphase“, führt die Umweltstadträtin weiter aus.
„Wir bauen in Innsbruck schon heute öffentliche Flächen anders als noch vor 20 Jahren: nämlich klimaschonender, mit mehr Bäumen und Grünflächen und einem scharfen Blick auf die Temperaturen, die dort entstehen.“ (Stadträtin Uschi Schwarzl)
Magistratsweite Anwendung
Insbesondere werden aktuell im Rahmen der Stadtklimaanalyse Indikatoren ausgearbeitet, um eine stadtinterne Systematik der Anwendung zu etablieren. Die Ergebnisse der Stadtklimaanalyse mit der Planungshinweiskarte, den daraus resultierenden Empfehlungen und Maßnahmenvorschlägen sollen in sämtliche Prozesse bzw. Abläufe innerhalb des Magistrats und auch in Kooperation mit den städtischen Beteiligungen integriert werden. Außerdem wird die Umsetzung von Maßnahmen in den jeweiligen Handlungsfeldern breit angewandt – dies betrifft vor allem Planungsprozesse, Daten(netz)ausbau, Risikomanagement und Frühwarnsysteme sowie interne und externe Kommunikationsprozesse. MD
Drei Fragen an Umweltingenieur Manfred Kleidorfer
Inwiefern kann urbane Kühlung zu einem besseren Stadtklima beitragen?
Durch die Auswirkungen des Klimawandels müssen wir mit einer Zunahme der heißen Tage und Nächte rechnen. Insbesondere in Städten, wo sehr viele Flächen versiegelt sind, wirkt sich dies auf das Wohlbefinden der Menschen aus. Besonders (aber nicht nur) für Kinder und ältere Menschen kann dies auch zu sehr starken gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Zukünftige Planungen müssen dies berücksichtigen und die Städte so gestalten, dass die Aufenthaltsqualität für jene, die sich in Städten aufhalten wollen – oder müssen –, verbessert wird. Dies betrifft beispielsweise attraktive Fuß- und Radwege, Wartebereiche, aber auch Freizeitanlagen wie Parks. Somit ist das auch eine soziale Frage, nicht jeder kann sich einen eigenen Garten leisten. Mögliche Maßnahmen sind die Schaffung von Grünflächen (begrünte Fassaden, Gründächer), Wasserflächen, Brunnen, Entsiegelung von Oberflächen oder Stadtbäumen.
Seit der Umsetzung von „Cool-INN“ vergangenes Frühjahr führen Sie gezielte Messkampagnen durch. Konnten dabei bereits neue Erkenntnisse gesammelt werden?
Im Rahmen von Cool-INN haben wir meteorologische Messungen (Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, Wind, Sonneneinstrahlung, Regen), aber auch Messungen der Oberflächen- und Bodentemperaturen durchgeführt. Die Analysen zeigen, dass die umgesetzten Maßnahmen im Rahmen des Projektes (Grünflächen, Wasserflächen, Sprühnebel) einen messbaren Effekt zeigen. Beispielsweise wurden in einer Messperiode im sehr heißen Sommer 2022 innerhalb von zwei Wochen an einer Referenzstation außerhalb des Parks 13 Hitzetage, d. h. Tage mit Temperaturen über 30°C aufgezeichnet, unmittelbar in der Nähe der Wasserfläche war dies nur einmal der Fall. In unmittelbarer Nähe zum Sprühnebel konnte die gefühlte Temperatur um bis zu 10°C gesenkt werden. Man muss allerdings auch sagen, dass diese Wirkungen lokal sehr begrenzt sind, außerhalb des Parks wird man davon nicht mehr viel spüren. Solche Projekte müssen also in eine generelle städteplanerische Klimawandelanpassungsstrategie eingebettet werden.
Welchen Nutzen sehen Sie als Klimaexperte in einer Stadtklimaanalyse?
Eine Stadtklimaanalyse bildet die Grundlage für die Einschätzung der Hitzebelastung in der Stadt und ist auch Planungsgrundlage für Maßnahmen zur Reduktion. Somit können Bereiche identifiziert werden, die besonders anfällig für Temperaturanstiege sind. Dadurch können Maßnahmen ergriffen werden, um die Bevölkerung in diesen Gebieten besonders zu informieren und zu schützen. Für städteplanerische Initiativen ist dies die Grundlage für übergeordnete Planungen wie beispielsweise den Erhalt oder die Schaffung von Kaltluftschneisen, die kühle Luft aus der Umgebung in überhitzte Gebiete bringen. Maßgeblich sind solche Analysen aber auch für lokale Maßnahmen wie die Schaffung von Grünflächen und die Platzierung von Bäumen. Dadurch können Klimawandelanpassungsmaßnahmen geplant und bewertet werden.
*Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Manfred Kleidorfer arbeitet am Institut für Infrastruktur der Universität Innsbruck im Arbeitsbereich Umwelttechnik. Gemeinsam mit Yannick Back, MSc (ebenfalls Arbeitsbereich Umwelttechnik) und KollegInnen von der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien hat er das Stadtklima-Modellprojekt Cool-INN wissenschaftlich begleitet. Dabei handelt es sich um ein Projekt der Stadt Innsbruck zur Abkühlung sogenannter Hitzeinseln, welches gemeinsam mit der Innsbrucker Kommunalbetriebe AG (IKB), der Uni Innsbruck und BOKU initiiert und umgesetzt worden ist.