Dampfzug der „Lokalbahn Innsbruck – Hall in Tirol“ vor dem Gasthof Neuwirth. Beachtenswert die Aufschrift „Lokalbahn Haltestelle“. Der 2. Waggon hinter der Lok ist ein offener Sommerwagen.
Dampfzug der „Lokalbahn Innsbruck – Hall in Tirol“ vor dem Gasthof Neuwirth. Beachtenswert die Aufschrift „Lokalbahn Haltestelle“. Der 2. Waggon hinter der Lok ist ein offener Sommerwagen.

Erinnerung an die Haller Straßenbahn

Heuer würde sie 125 Jahre alt – die Lokalbahn (Straßenbahn) Innsbruck – Hall in Tirol. Am 08. Juni 1974 wurde sie stillgelegt und durch Autobusse ersetzt. Es werden immer weniger Menschen, die noch eine lebendige Erinnerung an diese Bahn haben, Anlass genug, das Andenken wieder aufzufrischen.

von Werner Duschek/Tiroler MuseumsBahnen

Private Investoren hatten sich seit 1887 um die Konzession für eine dampfbetriebene Lokalbahn von der damals noch selbständigen Gemeinde Wilten durch Innsbruck nach Hall in Tirol bemüht. Am 01. Juni 1891 erfolgte die Inbetriebnahme der 12,14 km langen Strecke. Acht Tramway-Dampfloks und 29 kleine, dunkelgrün lackierte Beiwagen, darunter einige offene Sommerwagen, sowie einige Güterwaggons wurden bis 1900 angeschafft, um den Verkehr zu bewältigen. Laut Konzession durfte außerhalb des verbauten Gebietes mit der atemberaubenden Geschwindigkeit von 18 km/h gefahren werden! Die Lokalbahngesellschaft war es übrigens, die in den folgenden Jahren auch den Betrieb der Innsbrucker Mittelgebirgsbahn und der Stubaitalbahn führte und 1905 die elektrische Straßenbahn in Innsbruck gründete. 

Abschluss wesentlicher Entwicklungen

In den Jahren 1909 und 1910 wurde die „Haller“ elektrifiziert, acht große, vierachsige Triebwagen ersetzten die Dampfloks. Damals bekam die „Haller“ auch die Liniennummer „4“. Da kein Geld mehr vorhanden war, konnten keine neuen Beiwagen beschafft werden, deshalb wurden „vorübergehend“ die Dampftramwaybeiwagen für elektrischen Betrieb umgerüstet. Dabei bekamen sie – wie die Triebwagen – die rot-weiße Farbgebung. Wer hätte damals gedacht, dass dieser Zustand bis zur Stilllegung 1974 andauern sollte? Die großen Triebwagen mit ihren zwei oder vier winzigen Anhängern verliehen der Haller ein unverwechselbares Erscheinungsbild.
Damit war die wesentliche Entwicklung abgeschlossen. Auf Innsbrucker Seite wurde die Endstation vom Bergisel-Bahnhof zum Wiltener Platz verlegt; 1937 wurde die eigene Strecke über Marktgraben – Herzog-Otto-Ufer – Kapfererstraße – Kaiserjägerstraße – Rennweg aufgegeben; die Haller benützte bis zur Mühlauer Brücke die Strecke der Linie 1. Ab 1940 befuhr die Linie 4 die große Innenstadtschleife über den Südtiroler Platz (Hauptbahnhof). Im Jahre 1952 wurde die Brücke über die Westbahnstrecke bei Loretto fertiggestellt. Damit entfiel die Kreuzung zwischen Lokalbahn und Bundesbahn, bei der sich 1941 ein schwerer Unfall ereignet hatte. 1953 unternahmen die Innsbrucker Verkehrsbetriebe einen Versuch zur „Modernisierung“ der Haller mit gebrauchten Zügen der Rechtsufrigen Thunerseebahn aus der Schweiz. Wegen technischer Probleme mit diesen Fahrzeugen war dies allerdings nur ein kurzes Intermezzo und die originalen Züge mussten weiterhin alleine den Verkehr bewältigen.

Nahe der Haltestelle Schießstand passiert ein Zug auf dem Weg nach Solbad Hall soeben die Innsbrucker Stadtgrenze. Gut erkennbar liegt der Gleiskörper zwischen dem Rad- und Wirtschaftsweg und den Hauptfahrbahnen der Bundesstraße.
Nahe der Haltestelle Schießstand passiert ein Zug auf dem Weg nach Solbad Hall soeben die Innsbrucker Stadtgrenze. Gut erkennbar liegt der Gleiskörper zwischen dem Rad- und Wirtschaftsweg und den Hauptfahrbahnen der Bundesstraße.

Dramatisches Ereignis und seine Folgen

Großes Aufsehen erregte ein Vorfall im Dezember 1954: Ein heftiger Föhnsturm warf bei Thaur einen Straßenbahnzug aus den Schienen, wobei der Triebwagen umstürzte und schwer beschädigt wurde. In den folgenden Jahren wurden die Triebwagen umgebaut; sie erhielten ein moderneres Aussehen, der Aufbau wurde verstärkt und außen mit Blech verkleidet.
In diesem Zustand lief der Betrieb der Linie 4 noch zwei Jahrzehnte weiter, grundsätzlich bestand tagsüber ein Halbstundentakt, wobei die Züge bei der Mühlauer Brücke und in Thaur einander kreuzten. In der Frühspitze fuhren zwei Züge hintereinander von Hall nach Innsbruck, um das Fahrgastaufkommen zu bewältigen. Im Abendverkehr wurde in unregelmäßigen Intervallen bis gegen Mitternacht gefahren, wobei der letzte Zug in Hall in der kleinen Remise am Unteren Stadtplatz übernachtete. Trotz der 60-80 Jahre alten Fahrzeuge funktionierte der Betrieb zuverlässig; in den letzten Betriebsjahren wurden – trotz der zunehmenden Konkurrenz des privaten Autoverkehrs – weit über eineinhalb Millionen Fahrgäste pro Jahr gezählt. 

Verabschiedung der „Haller“

Das Ende der Linie 4 kam dann recht überraschend: Nachdem noch in den 1960er Jahren lange Streckenabschnitte saniert worden waren, sah man bei der Planung des neuen Verkehrsknotens Reichenauer Brücke – Haller Straße keine Möglichkeit, die Straßenbahn über die neu zu bauende Hochbrücke zu führen. Außerdem wollte man mit dem Gleiskörper eine Straßenverbreiterung der Haller Straße durchführen. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde die „Haller“ am 08. Juni 1974 verabschiedet. Schon am nächsten Tag wurden Gleise herausgerissen, um Haltestellenbuchten für den Autobusverkehr anlegen zu können. 

Fahrgefühl weiterhin erlebbar

Wenn auch heute kaum noch etwas an die Strecke der Haller Straßenbahn erinnert (lediglich die Wartehalle am Unteren Stadtplatz und die Remise Hall existieren noch), kann man das Fahrgefühl mit den alten Haller Garnituren bis heute erleben. Die Innsbrucker Verkehrsbetriebe und der Verein Tiroler MuseumsBahnen besitzen noch vier betriebsfähige ehemalige Haller Triebwagen (die auch auf der Mittelgebirgsbahn nach Igls verwendet wurden) und eine Anzahl Beiwagen, die zwar meist von der „Igler“ stammen, aber weitestgehend baugleich mit den Haller Beiwagen sind.