
Spatenstich für Gedenkort Reichenau im Mai
Am 8. Mai 1945, dem „Tag der Befreiung“, endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Punktgenau 80 Jahre danach findet am 8. Mai 2025 der feierliche Spatenstich zum neuen „Gedenkort Reichenau“ statt, mit dem das Andenken an die Opfer des Lagerkomplexes Reichenau eine angemessene Würdigung bekommt. Bürgermeister Ing. Mag. Johannes Anzengruber, BSc, Vizebürgermeister Georg Willi und der Leiter des Innsbrucker Stadtarchivs DDr. Lukas Morscher betonen die Wichtigkeit des Gedenkprojekts – und stellen die weiteren Schritte auf dem Weg zum neuen Gedenkort Reichenau vor.
„80 Jahre hat es gedauert, bis den Opfern des Nationalsozialismus, die im Lager Reichenau ermordet wurden und gelitten haben, würdig gedacht wird. Der beste Zeitpunkt für die Errichtung der Gedenkstätte wäre nach der Befreiung gewesen – der zweitbeste Zeitpunkt ist jetzt. Deshalb sorgen wir als Stadtregierung dafür, dass der Gedenkort Reichenau nun ordentlich umgesetzt wird. Das Projekt ist von breitem politischen Konsens getragen. Die Finanzierung konnte in den letzten Monaten von Seiten der Stadt Innsbruck mit Unterstützung zahlreicher Partner sichergestellt werden – vielen Dank an alle, die dazu beitragen, dass dieser Ort des Erinnerns und Gedenkens realisiert werden kann!“, betont Bürgermeister Johannes Anzengruber.
„Der neue Gedenkort Reichenau lädt zur Bildung, Einkehr und Auseinandersetzung ein. In diesem richtungsweisenden Gedenkprojekt werden neueste historische Erkenntnisse, zeitgemäße Ansprüche an Erinnerungskultur und innovative pädagogische Konzepte miteinander vereint – in einem würdigen Gedenkort für alle Menschen, die an diesem Ort inhaftiert waren und ermordet wurden. Der Imperativ des ‚Nie wieder‘ findet seinen Ausdruck in jeder Facette des Denkmals – und sollte gerade in der heutigen Zeit die Leitlinie sein, an der wir uns alle richten“, führt Vizebürgermeister Georg Willi aus.
„Durch den breit angelegten Aufarbeitungsprozess, der von namhaften Geschichtsforschenden durchgeführt wurde, liegen uns neue Erkenntnisse vor, die in das Gestaltungskonzept des Gedenkorts Reichenau miteingeflossen sind. Aber wir planen auch für die Zukunft – beispielsweise, wenn die Forschung weitere Namen von Menschen findet, die hier ermordet wurden. Durch die kürzlich erfolgte Öffnung wichtiger Archive haben wir heute noch mehr Möglichkeiten, umfassende Forschung dazu zu betreiben“, erklärt Stadtarchivar Lukas Morscher.
Gedenken neu gestalten
Der „Gedenkort Reichenau“ entsteht in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Lagerkomplexes: Direkt am Innufer werden 114 „Namenssteine“ errichtet, die aus Beton und Glasterrazzo gegossen werden und die Namen aller bekannten Opfer tragen. Ein offener Pavillon markiert den Beginn des Denkmals und bietet mit Sitzgelegenheiten sowie historischen Informationen Raum zur Reflexion, der von einer markanten Dachskulptur umrahmt wird.

Das Gedenkprojekt zeichnet sich durch ein einzigartiges Zusammenspiel von analogen und digitalen Wegen der Erinnerung aus: Ein Audioweg begleitet BesucherInnen und liefert weitere Fakten zum Lagerkomplex Reichenau, per Displays werden visuelle Inhalte vermittelt. Ein weiteres Herzstück des Gedenkprojekts ist das digitale Archiv zum Lagerkomplex, das über eine zugehörige Website öffentlich zugänglich sein wird. Eine ausführliche Beschreibung des Gedenkort Reichenau sowie Visualisierungen des fertigen Projekts finden sich im zugehörigen Dossier der Stadt Innsbruck (PDF).
Zeitplan zur Umsetzung
Mit dem Spatenstich am 8. Mai 2025 beginnt die Umsetzung des Gedenkprojekts. Diese erfolgt in zwei Phasen: Projektphase 1 beinhaltet die Landschaftsgestaltung mit Pflasterungen und Namenssteinen, den Audioweg, die analoge Informationstafel vor Ort, sowie das per Website zugängliche digitale Archiv. Die Umsetzung von Projektphase 1 wird 2026 abgeschlossen sein.
In Projektphase 2, die für das Jahr 2026 geplant ist, fällt die Errichtung des Pavillons, die Montage der vorgesehenen Displays für historische und didaktische Informationen, Sitzgelegenheiten und Beleuchtung, sowie die Dachskulptur des Pavillons samt Witterungsschutz.
Kosten und Finanzierung
Die geschätzten Bruttogesamtkosten für die Errichtung des Gedenkorts Reichenau im Vollausbau (Projektphase 1 und 2) belaufen sich auf rund 1.278.000 Euro, von denen 840.000 Euro von der Stadt Innsbruck getragen werden. Die Differenz zum Gesamtbetrag für den Ausbau wird vollständig durch externe Fördergelder bereitgestellt.
Die Bruttogesamtkosten für Phase 1 des Projekts belaufen sich auf 947.960,60 Euro, die Finanzierung durch die Stadt Innsbruck beträgt davon 675.000 Euro im Jahr 2025 und 165.000 Euro im Jahr 2026. Die Umsetzung von Projektphase 1 wird bis zum Jahr 2026 abgeschlossen sein. Für Phase 1 sind zudem 15 Prozent der Umsetzungskosten als Reserve vorgesehen, die durch externe Fördermittel bereitgestellt werden – insgesamt 107.976,60 Euro.

Die Kosten für Projektphase 2 werden vollständig durch externe PartnerInnen getragen. Von Seiten des Landes Tirol, der Innsbrucker Kommunalbetriebe AG (IKB), der Landesgedächtnisstiftung, des Österreichischen Nationalfonds, der Stiftung Sparkasse, Innsbruck Tourismus und weiterer Partnerunternehmen konnten hier bereits Förderzusagen in der Höhe von 397.000 Euro brutto eingeholt werden, zusätzlich werden Sachleistungen durch die IKB bereitgestellt. Der Vollausbau des Gedenkorts wird mit Projektphase 2 im Jahr 2026 seinen Abschluss finden.
Folgekosten, die durch die Wartung der Anlagen und der digitalen Inhalte jährlich entstehen, belaufen sich auf rund 32.000 Euro brutto. Zusätzlich ist mit Kosten von rund 5.000 Euro pro weiterem „Namensstein“ zu rechnen – etwa, wenn durch historische Forschungsarbeit weitere Opfer des Lagerkomplexes namentlich bekannt werden.
Der Weg zum Gedenkort
Der Lagerkomplex Reichenau, bestehend aus dem „Arbeitserziehungslager Reichenau“ sowie dem „Lager Nord“ bestand zwischen 1941 und 1945. Rund 8500 bis 8600 (Arbeitserziehungslager Reichenau) bzw. rund 700 (Lager Nord) politische Gefangene wurden dort inhaftiert, gefoltert und zur Zwangsarbeit verpflichtet, die Namen von 114 Menschen, die dort ermordet wurden, sind durch die bisherige Aufarbeitung bekannt. Im Jahr 1972 wurde am ehemaligen Standort ein Gedenkstein errichtet, seither finden dort jährlich Kranzniederlegungen im Gedenken an die Opfer statt. Eine ExpertInnenkommission der Stadt Innsbruck, bestehend aus mehreren ZeithistorikerInnen und politischen VertreterInnen, wurde ab 2022 mit der Aufarbeitung der Geschichte des Lagers beauftragt.
Auf Basis des Abschlussberichts der Kommission wurde von der Stadt Innsbruck die Neuerrichtung einer Gedenkstätte beschlossen, wofür ein internationaler Gestaltungswettbewerb ausgerufen wurde. Der „Gedenkort Reichenau“ der ARGE Bablick-Denzer-Machat-Schlorhaufer-Zschiegner wurde dabei zum Siegerprojekt durch eine Fachjury gewählt, der Wettbewerb wurde vom Designforum WEI SRAUM begleitet. Die Umsetzung des Projekts erfolgt mit der Werkgemeinschaft Bablick-Denzer-Machat-Zschiegner.
Kranzniederlegung am Gedenkstein
Am Montag, den 27. Jänner, dem Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust, findet wieder die jährliche Kranzniederlegung am bestehenden Gedenkstein für die Opfer des Lagers Reichenau statt. Die Stadt Innsbruck beteiligt sich hier zusammen mit der ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten sowie dem Bund sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen am traditionellen Gedenkakt, der um 16.30 Uhr erfolgt. Nach der Kranzniederlegung im Gedenken an die Opfer folgt zudem ein Vortrag des Historikers Dr. Horst Schreiber vor Ort, in dem die Hintergründe und Geschichte des Lagerkomplexes beleuchtet werden.
Weitere Hintergrundinformationen zum Gedenkort Reichenau finden sich in der aktuellen Podcast-Reihe des Innsbrucker Stadtarchivs unter: www.innsbruck.gv.at/podcasts FB
In der folgenden Bildergalerie finden sich Eindrücke der gemeinsamen Gedenkveranstaltung der Stadt Innsbruck, des Bundes sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen, Opfer des Faschismus und aktiver AntifaschistInnen und der ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten und Bekenner für Österreich am Gedenkstein für die Opfer des Lagerkomplexes Reichenau am 27. Jänner 2025: