Architektur findet Stadt
Sind Urbanität, zeitgemäße Gebäude und historischer Stadtkern auf einen Nenner zu bringen? Im Fall von Innsbruck lautet die Antwort: Ja. Dabei wäre es aber zu kurz gegriffen einzelne Baukörper im Stadtbild als solitäre Einheiten zu betrachten. Beim Thema Baukultur geht es vielmehr um das große Ganze, das im Zuge von Neu- und Umbauten mitbedacht wird und wesentlich zur Lebensqualität einer Stadt beiträgt. Bereits seit den 1990er-Jahren bildet die Stärkung der Innenstadt einen wichtigen Schwerpunkt. Durch Investitionen in den öffentlichen Raum wurde die Aufenthaltsqualität sukzessive gesteigert.
Am Beispiel der Maria-Theresien-Straße ist das gut darstellbar. So betrug die FußgängerInnenfrequenz im Jahr 2000 113.000 Personen, 2016 belief sie sich auf 215.000 Personen. Auch das Haus der Musik Innsbruck und die damit in Verbindung stehende „Wegung“, die das Kultur- und Bildungsquartier seit dessen Betriebsstart vor einem Jahr fußläufig erschließt, sind als städtebauliche Qualitäten zu bewerten, welche das Geviert zwischen Landestheater und MCI aufwerten.
„Architektur erfüllt keinen Selbstzweck. Die gelungene Planung und Bebauung von Stadtraum ist im besten Sinne ein echter Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger. Durch die Vorgaben der Stadtplanung ist gewährleistet, dass sich Innsbruck qualitativ weiterentwickelt.“ (Bürgermeister Georg Willi)
Dialog auf vielen Ebenen
Die Stadtplanung setzt auf Dialog. Dabei steht das Abwägen von Positionen immer im Vordergrund. In Workshops wird im Vorfeld von Wettbewerben bereits das Umfeld sondiert, um für städtebauliche Entwicklungen eine gemeinsame Richtung festzulegen. Eingeladen sind dazu meist ProjektbetreiberInnen, ArchitektInnen sowie VertreterInnen aus der Politik. Zum Tragen kam dies zum Beispiel beim Projekt Campagne Reichenau. In der langfristigen Planung ist es auch beim Entwicklungsgebiet um den Harterhofweg Thema.
Als Standortpartner für den Wettbewerb EUROPAN15 – Europas größtem Ideenwettbewerb für innovativen Urbanismus und Architektur – werden aktuell unter dem Motto „Innsbruck an den Inn“ europaweit junge StadtplanerInnen und ArchitektInnen gesucht, die strategische Nutzungs-, Bebauungs- und Freiraumkonzepte für den Bereich zwischen Marktplatz und Universitätsbrücke entwickeln. Dadurch sollen frühzeitig innovative Ideen generiert werden, die dann als Grundlage für weitere Projektentwicklungen nach der Europan-Wettbewerbsphase dienen können.
Daneben wird bei Bauvorhaben in einer Schutzzone nach dem Stadt- und Ortsbildschutzgesetz der SOG-Beirat, welcher in der Alpenstadt ein Sachverständigenbeirat ist, auf den Plan gerufen. Seit den 1970er-Jahren sind die Schutzzonen im Tiroler Landesgesetz verankert, weshalb auch in Innsbruck das Thema Dialog zwischen „Alt“ und „Neu“ besonders sensibel geführt wird. Auch der städtische Bauausschuss ist im Vorfeld von Wettbewerben besonders gut involviert, die städtebaulichen Randbedingungen werden diskutiert und die Politik ist damit direkt in den Planungsprozess eingebunden. Neben ExpertInnen ist auch die Bevölkerung eingeladen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Im „Raum für Stadtentwicklung“ in der Stadtbibliothek besteht eine niederschwellige Möglichkeit, tiefer ins Thema einzutauchen.
Vielbeachtete Wettbewerbskultur
In der Tiroler Landeshauptstadt wurden in den letzten Jahren in zunehmendem Maße Wettbewerbe nicht nur durch Stadt, Land und Bund, sondern auch von privaten auslobenden Stellen durchgeführt. Die Liste der dokumentierten Wettbewerbe reicht in das Jahr 1985 zurück und umfasst aktuell 226 Projekte. Die Tiroler Landeshauptstadt ist deshalb österreichweit in aller Munde. Erst Mitte September wurde im Rahmen einer Veranstaltung der Österreichischen Raumordnungskonferenz mit dem Titel „Stärkung der Orts- und Stadtkerne in Österreich“, die in Trofaiach stattfand, auf Innsbruck als herausragendes Beispiel Bezug genommen.
Ringen um gute Lösungen
Innsbrucks oberster Stadtplaner Wolfgang Andexlinger beschreibt die Prämissen im Zusammenhang mit dem Lebensraum Stadt wie folgt: Architektur als Akupunkturstiche, die bewusst gesetzt werden, um Veränderung auszulösen.“ Die Alpenstadt verfolgt das Ziel eine Stadt der kurzen Wege zu sein. Ein Spezifikum dabei ist die Enge von innerstädtischen Plätzen, die kreative Zugänge hervorbringt. Dabei entstehen spannende Grundrisse oder Hybridgebäude, die thematisch vieles vereinen. Beispiele sind das Einkaufszentrum West in Kombination mit dem fünften Gymnasium oder die Tankstelle in der Kranebitter Allee, welche mit studentischem Wohnen gekoppelt wurde. KR

