Andrea Salzburger (Agentur yellow:blue), Gemeinderätin Renate Krammer-Stark, Vizebürgermeister Johannes Anzengruber, Gabi Plattner (Frauenhaus Tirol) und Michael Hennermann (Verein für Obdachlose) präsentieren den städtischen Sozialplan 2030.
Andrea Salzburger (Agentur yellow:blue), Gemeinderätin Renate Krammer-Stark, Vizebürgermeister Johannes Anzengruber, Gabi Plattner (Frauenhaus Tirol) und Michael Hennermann (Verein für Obdachlose) präsentieren den städtischen Sozialplan 2030.

Stadt Innsbruck präsentiert Masterplan „Sozialplan 2030“

Sozialreferent Anzengruber legt inklusive Bottom-Up-Befragung der Innsbrucker Sozialbranche vor, neue Datenbasis für die zukünftige Sozialpolitik

Krisen erfordern gerade in der Sozialpolitik nachhaltige Wege. Einen solchen – völlig neuen, weil partizipativen – Pfad ist die Stadt Innsbruck mit dem „Sozialplan 2030“ gegangen. Heute wurde das 140-Seiten-Papier in Innsbruck präsentiert. Die Erstellung dieser sozialpolitischen Strategie wurde bereits im Regierungsabkommen 2018 als Ziel formuliert. Mitte 2020 erteilte Vizebürgermeister und Sozialreferent Ing. Mag. Johannes Anzengruber, BSc extern den Auftrag, den IST-Zustand der Innsbrucker Sozialbranche zu erheben, auszuwerten und aus dieser Datenbasis sozialpolitische Maßnahmen abzuleiten: „Ich freue mich sehr, dass wir den Sozialplan 2030 heute auf Basis dieser Daten präsentieren können. Eine gut informierte Strategie ist hier das A und O“, erklärt Vizebürgermeister Anzengruber.

„Als Ansatz wurde ein Bottom-up-Prozess gewählt, die Durchführung war partizipativ und inklusiv. Für die Studie haben wir 43 Sozialvereine, zehn ExpertInnen, elf NutzerInen und fünf BehördenvertreterInnen in qualitativen, anonymisierten Interviews befragt“, führt Projektleiterin Mag.a Andrea Salzburger vom Consulting-Netzwerk yellow:blue im Rahmen einer Pressekonferenz aus. Nach Erstellung der SWOT-Analyse aus den vier Samples wurde ein Maßnahmenkatalog, gegliedert nach Teilsegmenten, ausformuliert. „Die Empfehlungen wurden nach der Maxime ‚Stärken stärken, Schwächen erkennen und minimieren, Chancen ergreifen und Risiken vermeiden‘ ausgearbeitet. Zusammenfassend gesagt ist das Engagement der Sozialvereine sehr hoch, die Betreuungslandschaft gut ausgebaut und erreichbar, mit kleinen initialen Orientierungs-Defiziten der KlientInnen, die Hilfe suchen. Es wurden auch Schwächen festgestellt im Bereich der (aufsuchenden) psychiatrischen Betreuungs(plätze), wo Handlungsbedarf besteht. Große Optimierungspotenziale stecken aber im Ausbau der sozialen Arbeit innerhalb der Behörden. Als Causa prima nennen die Sozialvereine eine gesicherte, möglichst mehrjährige Finanzierung und eine ressortübergreifende Politik, um das schwierige Themen Wohnen in den Griff zu bekommen“, fasst die Studienautorin zusammen.

Inklusion als wichtiger Meilenstein der Projektdurchführung
„Mit diesem Masterplan haben wir eine Basis geschaffen, die der Sozialpolitik in unserer Stadt die Zukunft weist. Dank einer breitestmöglichen Befragung aller relevanter Systempartner bis zu den NutzerInnen und den eigenen MitarbeiterInnen konnten wir ein Maximum an Sichtweisen, Ideen und Vorschlägen einbinden. Durch diesen inklusiven Prozess konnte das vorhandene Engagement der Branche gestärkt werden. Sozialpolitik geht nur über einen partnerschaftlichen Schulterschluss“, freut sich Vizebürgermeister Anzengruber über den positiven Projektabschluss. „Wir haben ein neues Steuerungsinstrument in die Hand bekommen, um mit einer sachlichen Debatte politische Mehrheiten für die künftige Umsetzung zu erzielen“, setzt Anzengruber fort, sodass „alle maßgeblichen Kräfte an einem Strang ziehen.“

Auf einer Pressekonferenz wurde der städtische Sozialplan 2030 vorgestellt.
Auf einer Pressekonferenz wurde der städtische Sozialplan 2030 vorgestellt.

„Um das Jahr 2015 wurden in Innsbruck die Themen Betteln und Wohnungslosigkeit regelmäßig im Gemeinderat diskutiert. Genauso regelmäßig fanden sich Mehrheiten für ein Bettelverbot auf Märkten, ein Nächtigungsverbot und mehrere Alkoholverbotszonen in der Innenstadt“, erinnert sich Gemeinderätin Dr.in Renate Krammer-Stark, Vorsitzende des Ausschusses für Soziales und Wohnungsvergabe. „Die Umsetzung des 2018 beschlossenen Sozialplans sollte im Gegensatz zur Verbotspolitik einen alternativen sozialpolitischen Umgang mit BettlerInnen und Obdachlosen aufzeigen. Die Errungenschaft des jetzt vorliegenden Sozialplans 2030 für die Stadt Innsbruck liegt darin, dass nicht nur die Einrichtungen, die mit diesen Zielgruppen arbeiten, miteinbezogen wurden, sondern auch die NutzerInnen und KlientInnen selbst und zwar weit über die akuten Problemlagen von damals hinausgehend“, unterstreicht die Vorsitzende des Sozialausschusses.

Sozialvereine bekennen sich zur Zusammenarbeit
„In diesem Sozialplan ist mehrmals und in unterschiedlicher Ausführung von der Notwendigkeit einer Planbarkeit zu lesen. Planbarkeit bedeutet Stabilität im Bereich der Finanzierbarkeit und damit auch Nachhaltigkeit im Ressourcenzugang zu Unterstützungseinrichtungen“, betont Mag.a Gabi Plattner, Leiterin des Frauenhaus Tirol, wie wichtig eine stabile Partnerschaft mit der Politik sei.

„Als Sozialpolitischer Arbeitskreis sehen wir uns als Sprachrohr unserer jeweiligen Klientel. Wir sehen uns somit als prädestiniert dafür an, die Weiterentwicklung dieses Sozialplans und vor allem seiner inhaltlichen Ausgestaltung kritisch zu begleiten und bieten der Stadt gerne unsere Zusammenarbeit für die Umsetzung an“, bekräftigt Michael Hennermann, Geschäftsführer des Innsbrucker Vereins für Obdachlose, die konstruktive Grundeinstellung aller im SPAK vertretenen Einrichtungen der Jugendhilfe, der Frauen und Mädchenberatung, der Wohnungslosenhilfe, des Gesundheits- und Bildungsbereichs, der Schwerpunkte Arbeit, Migration, sowie jener Organisationen, die Leistungen für Menschen mit Behinderungen anbieten.

Breites Maßnahmen-Portfolio fordert gemeinsamen Schulterschluss
„Sozialpolitik geht nur partnerschaftlich und wird erfolgreich sein, wenn wir gemeinsam Stränge festlegen, die wir kollegial weiterentwickeln“, will Anzengruber weiterhin am partizipativen Ansatz festhalten. Als Sozialreferent bekennt er sich zu einem Ausbau der Finanzierungssicherheit für die Vereine. Im Rahmen des Hilfeplans des Tiroler Mindestsicherungsgesetzes will er die Implementierung von SozialarbeiterInnen im Sozialamt prüfen und vorantreiben, um hier die bestmögliche Unterstützung der Hilfesuchenden zu gewährleisten. „Zudem haben wir aus dem Prozess Sozialplan heraus bereits Roundtable-Formate erprobt, die ich auf die Sozialplanung insgesamt ausweiten möchte, um die Problemlösung bei kontroversiellen Themen entscheidend voranzubringen“, betont Anzengruber, dass er auf Qualität und moderne Betreuungsstandards setzen will.

Einen Ansatz, den Krammer-Stark vollinhaltlich unterstützt. Mit den Projekten SeniorInnenKümmerer, einem NEETS-Jugendlichen-Schwerpunkt und dem Ausbau von aufsuchender psychiatrischer Betreuung beispielsweise im Rahmen der ISD nennt sie drei konkrete Zielgruppenprojekte. „Was beim Transparenzprozess im Reha-Segment tirolweit schon funktioniert hat, sollte als Qualitätsdiskussion auch auf alle anderen Sparten ausgerollt werden“, betont Krammer-Stark. „Damit die KlientInnen entsprechend leicht Zugang zu den Angeboten finden, sollte die Stadt eine gezieltere Verteilung des Sozialroutenplans andenken und die Öffentlichkeitsarbeit in den stadteigenen Medien zur Tätigkeit der einzelnen Sozialvereine gezielt intensivieren“, setzt sich Krammer-Stark für mehr Bewusstseinsarbeit im Bereich der sozialen Arbeit ein.

Ressortübergreifende Lösungen bei Geschlechterfragen oder Wohnungslosenhilfen
In Bezug auf konkrete Maßnahmenvorschläge kommentiert Plattner: „Gewaltprävention braucht immer ein Wir. Sozialplanung auch. Gerade eben Frauenpolitik und Geschlechtergerechtigkeit können nur ressortübergreifend gestaltet werden.“ Die Frauenhaus-Chefin will sich vor allem in eine Diskussion um die Anpassung der städtischen Wohnungsvergaberichtlinien und die Priorisierung von gewaltbedrohten Frauen bei der Wohnungsvergabe einbringen. Auch die Förderung von Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungsangeboten, den empfohlenen Ausbau der Männerberatung mit Fokus auf opferschutzorientierte Täterarbeit sowie den Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten hält Plattner genauso zielführend wie den Abbau von Abhängigkeitsverhältnissen. „Insbesondere bei der geschlechtsneutralen Angleichung der Einstiegsgehälter in den Abteilungen der Stadt Innsbruck könnte die Stadt schon bald mit positivem Beispiel vorangehen“, meint sie.

Wohnen als Brandherd der Stadtpolitik
Was die konkreten Maßnahmenempfehlungen anlangt, setzt Hennermann einen Fokus auf die Angebote der Wohnungslosenhilfe und betont etwa die Wichtigkeit eines Tagesaufenthalts-Angebots sowie die Einrichtung von Hospiz- und Pflegeplätzen für wohnungslose Menschen, aber auch die Anhebung der Betreuungsgrenze von Jugendlichen bis 25 Jahren: „Insgesamt jedoch sollten die Angebote der Wohnungslosenhilfe nur so kurz wie möglich genutzt werden müssen, eine rasche Ablöse in Wohnungen muss das oberste Ziel sein. Daher sind wir überzeugt, dass eine Sozialplanung nur eng verbunden mit einer Wohnungsplanung und niederschwelligen Zugangsmöglichkeiten zu Stadtwohnungen wirklich funktionieren kann“, spricht sich Hennermann für eine ganzheitliche, sprich ressortübergreifende Delogierungsprävention und Wohnungslosenhilfe aus.

Dazu Vizebürgermeister Anzengruber abschließend: „Das Thema Wohnen ist selbstverständlich Bestandteil des Sozialplans, eben weil es ein so existenzielles, für die meisten KlientInnen zentrales Bedürfnis ist, das gelöst werden muss, bevor andere Bedürfnisse sinnvoll angegangen werden können. Die aufgetretenen Problemlagen und deren Lösungen liegen in mehreren Ressorts und verlangen nach einem politischen Schulterschluss und Konsens.“

Rückfragehinweis:
Büro Vizebürgermeister Ing. Mag. Johannes Anzengruber, BSc

Sozialkoordinator Mag. Dr. Stefan Moisi
Telefon: +43 512 5360 1308
E-Mail: stefan.moisi@magibk.at

Yellow:blue

Mag. Andrea Salzburger
Adresse: 6020 Innsbruck, Falkstraße 13
Telefon: +43 699 1810 1805
E-Mail: andrea@yellowblue.at