Mit dem Neubau des Kaufhaus Tyrol gelang Star-Architekt David Chipperfield die Einbettung von moderner Architektur in historischen Bestand.
Mit dem Neubau des Kaufhaus Tyrol gelang Star-Architekt David Chipperfield die Einbettung von moderner Architektur in historischen Bestand.

Mehr als nur schöne Fassade

Beim Spaziergang durch die Tiroler Landeshauptstadt lohnt es sich, genauer hinzusehen. Denn Innsbruck braucht sich in Sachen Baukultur nicht zu verstecken – was nicht nur an einzelnen architektonischen Sehenswürdigkeiten liegt.

Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Man erinnere sich etwa an die Elektrizitätswerke in der Salurnerstraße, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts errichtet wurden und heute Zentrale der Innsbrucker Kommunalbetriebe AG sind. Als erstes Hochhaus Innsbrucks erhitzte das Gebäude damals die Gemüter, da es  sich noch dazu in unmittelbarer Nähe zu historischen Sehenswürdigkeiten wie der Triumphpforte befand. Heute gilt das Gebäude als wichtiges Wahrzeichen der Tiroler Moderne, die sich am reduzierten Bauhausstil orientiert.

„In Tirol lässt sich die Baukultur der letzten 100 Jahre in verschiedene Zeitzonen einteilen, von denen man einzelne Baustile ablesen kann“, erklärt Assoz.-Prof. DI Dr. Wolfgang Andexlinger, Leiter des Amtes für Stadtplanung, Stadtentwicklung und Integration. „Die Tiroler Moderne des beginnenden 20 Jahrhunderts, die  Nachkriegsmoderne, in der eine ganz andere Typologie entstanden ist, bis in die 90er- und 2000er-Jahre, in denen wiederum ganz andere Zielsetzungen in der  Baukultur wichtig waren.“ So ist Baukultur immer von den Strömungen der jeweiligen Zeit beeinflusst. „In den vergangenen 15 bis 20 Jahren sind es neben  gestalterischen Aspekten vor allem auch Themen im Zusammenhang mit dem Klimawandel und der Energieeffizienz, also Fragen der ökologischen Nachhaltigkeit, die  bei der Planung von Gebäuden mit im Vordergrund stehen“, bringt Innsbrucks oberster Stadtplaner heutige Einflüsse auf die Baukultur auf den Punkt.

„Bei Baukultur geht es um das große Ganze, das im Zuge von Neu- und Umbauten mitbedacht wird – um unseren Lebensraum und um das, was wesentlich zur Lebensqualität einer Stadt beiträgt.“ (Bürgermeister Georg Willi)

Die Symbiose aus Alt und Neu zeigt sich auch im Haus der Musik gegenüber der Kaiserlichen Hofburg.
Die Symbiose aus Alt und Neu zeigt sich auch im Haus der Musik gegenüber der Kaiserlichen Hofburg.

Ein Zusammenspiel

Die Hungerburgbahn von Zaha Hadid, die Sprungschanze am Bergisel, die Kaiserliche Hofburg oder das Haus der Musik. In Innsbruck lassen sich viele herausragende Perlen der Baukunst entdecken. Doch es sind nicht die einzelnen Gebäude, die Baukultur ausmachen. Vielmehr ist es deren Zusammenspiel, die Verbindung von  Tradition und Moderne, das Einbeziehen von Straßen, Plätzen, Parks – von Kulturlandschaften, die in weiten Teilen vom Menschen gestaltet worden sind. „Bei Baukultur geht es um das große Ganze, das im Zuge von Neu- und Umbauten mitbedacht wird – um unseren Lebensraum und um das, was wesentlich zur  Lebensqualität einer Stadt beiträgt“, ergänzt Bürgermeister Georg Willi. „Damit das gelingt, braucht es festgeschriebene Ziele und Regelwerke, die die Entwicklung der Stadt steuern.“

Über Geschmack lasse sich zwar streiten und Schönheit liege im Auge des Betrachters. Bei der Stadtplanung verhalte es sich aber anders, weil diese klaren Vorgaben folgt. „Mit dem Gestaltungsbeirat, dem Sachverständigenrat für Stadt- und Ortsbildschutz sowie Architekturwettbewerben stehen uns wichtige  Werkzeuge zur Verfügung, um hochwertige Gestaltung zu ermöglichen“, erklärt Andexlinger. Und das mit sichtlichem Erfolg, wie zahlreiche Auszeichnungen für die  Innsbrucker Baukultur, etwa die Innsbruck Information am Burggraben oder das Kletterzentrum Innsbruck in Dreiheiligen belegen. MD

Lois Welzenbacher realisierte 1926/1927 Innsbrucks erstes Hochhaus, den damaligen Sitz der Elektrizitätswerke und heutige IKB-Zentrale.
Lois Welzenbacher realisierte 1926/1927 Innsbrucks erstes Hochhaus, den damaligen Sitz der Elektrizitätswerke und heutige IKB-Zentrale.
Ebenfalls von Welzenbacher, einem Vertreter der klassischen Tiroler Moderne, stammt das ehemalige Sudhaus des Adambräu, in dem sich heute das Architekturzentrum aut.architektur und tirol sowie das Archiv für Baukunst befinden.
Ebenfalls von Welzenbacher, einem Vertreter der klassischen Tiroler Moderne, stammt das ehemalige Sudhaus des Adambräu, in dem sich heute das Architekturzentrum aut.architektur und tirol sowie das Archiv für Baukunst befinden.
Instrumente der Innsbrucker Stadtplanung und -entwicklung, um eine Stadt für alle zu planen und zu bauen:

  • Neben langfristigen Ausblicken und der Festschreibung nachhaltiger Zielsetzungen durch das ÖROKO (Örtliches Raumordnungskonzept) werden gemeinsam mit  ExpertInnen städtebauliche Studien aus unterschiedlichen Fachrichtungen erarbeitet, um wichtige Themen konkreter zu betrachten. Darüber hinaus wird ein starker  Fokus auf die Aktualisierung von Flächenwidmungsplänen und Bebauungsplänen, in denen wesentliche Rahmenbedingungen auch rechtlich festgeschrieben werden,  gelegt.
  • Um eine hochwertige Baukultur zu erreichen, kommen zwei Beiräte zum Einsatz: Einerseits der Sachverständigenrat für Stadt- und Ortsbildschutz, der alle zwei  Wochen tagt. Andererseits der Innsbrucker Gestaltungsbeirat, der sieben- bis achtmal pro Jahr zweitägige Sitzungen abhält. In diesen Beiräten werden konkrete  Bauprojekte intensiv diskutiert und Vorschläge zur Verbesserung eingebracht.
  • Neben diesen beiden Beiräten hat sich in Innsbruck auch das Instrument des Architekturwettbewerbs sehr etabliert. Seit Mitte der 1990er Jahre haben in Innsbruck  mehr als 250 Architekturwettbewerbe stattgefunden. Ein Großteil der Projekte wurde auch gebaut.