Ankunft von Josef Schwammberger am Flughafen Stuttgart, 3.5.1990.
Ankunft von Josef Schwammberger am Flughafen Stuttgart, 3.5.1990.

Ein Massenmörder aus Tirol

SS-Oberscharführer Josef Schwammberger, geboren 1912 in Brixen, aufgewachsen in Innsbruck, war im Krieg Lagerkommandant im jüdischen Zwangsarbeitslager Rozwadów, im Ghetto Przemyśl und im KZ-Außenlager Mielec.

von Horst Schreiber 

Schwammberger war ein unscheinbarer Mann. Er absolvierte zwar eine kaufmännische Lehre, lebte aber von Gelegenheitsjobs. Im Juli 1933 floh er als Nationalsozialist ins Deutsche Reich und wurde Mitglied der SS-Verfügungstruppe, einer militärisch ausgebildeten Sondereinheit der SS. Wegen gesundheitlicher Probleme war er felddienstuntauglich und meist im Krankenstand. Im Oktober 1941 trat Schwammberger in der Dienststelle des SS- und Polizeiführers von Krakau einen Verwaltungsjob an.

„Er tötete, weil er töten wollte.“

Ein Jahr später erhielt er als 30-Jähriger sein erstes Kommando. Als er das Lager Rozwadów übernahm, gab es rund 1.200 jüdische Zwangsarbeitskräfte, sechs Wochen später nur mehr 570. Fast täglich erschossen Schwammberger und seine Männer arbeitsunfähige und kranke Häftlinge. Im November 1942 ließ er bis zu 100 Menschen liquidieren, er hatte sie als „unbrauchbar“ befunden. Im Ghetto Przemyśl legte er sich schon am frühen Morgen auf die Lauer, um Juden, die Lebensmittel beschaffen wollten, „abzuschießen“. Schwammberger demütigte seine Opfer, zwang junge Frauen nackt in eine Grube zu springen und befahl seinen Männern, sie zu töten. Oder er hetzte seinen Hund auf die Frauen, der sie schwer verletzte. Ein Gefangener charakterisierte ihn so: „Er tötete, weil er töten wollte.“ Den Gefangenen offenbarte Schwammberger: „Ich bin euer Gott. Wenn ich sage, du stirbst, dann stirbst du. Wenn ich sage, du lebst, dann lebst du.“
 
Der Lagerkommandant ließ es sich gut gehen. Er logierte mitsamt seiner Familie wie ein Fürst mit Kutsche und Diener in einer Villa. Seine Korruption kostete vielen Menschen das Leben. Er bestahl die Häftlinge und verkaufte Nahrungsmittel der Lager am Schwarzmarkt. Die jüdischen Gefangenen mussten ihm die letzten ihnen verbliebenen Wertgegenstände abliefern. Paketweise transportierte Schwammberger Schmuck, Gold, Kleidung und Geschirr nach Tirol. Anfang September 1943 wurde das Ghetto Przemyśl gewaltsam aufgelöst und die Menschen selektiert. Dieser sogenannten „Judenreinaktion“ fielen Hunderte zum Opfer. Sie zog sich über Stunden, mit dabei Lagerleiter Schwammberger.
Die Chefsekretärin des SS- und Polizeiführers in Krakau hatte einen anderen Schwammberger vor Augen. In untergeordneter Stellung im Innendienst erlebte sie ihn als einen Stubenhocker und Büromenschen, höflich und ruhig: „Wenn er nicht Fähnchen [von Partisaneneinsätzen] steckte, so las er Zeitung oder machte Kreuzworträtsel.“
Josef Schwammberger, 1939
Josef Schwammberger, 1939

Flucht nach Argentinien

Wieder zurück in Innsbruck mit falschen Papieren ausgestattet, geriet Schwammberger Ende Juli 1945 in eine Ausweiskontrolle und wurde enttarnt. Die Exekutivkräfte stellten in seinem Umfeld acht Stoffsäcke mit Münzen, Gold und Schmuck sicher, teils mit eingravierten Namen und Initialen der Opfer. Schwammberger stellte alle Vorwürfe in Frage: „Ich bestreite entschieden, daß es jemals zu Massenmördereien in der von den Zeugen geschilderten Art gekommen ist. Ich kann mir das nur aus dem Haß der Juden gegen mich als Angehörigen der SS erklären und daraus, daß die Juden anderen Gesetzen hinsichtlich Wahrheitspflicht gegenüber Nichtjuden unterstehen.“

Er gab zu, 35 Juden getötet zu haben – aber nur auf ausdrücklichem Befehl seiner Vorgesetzten –, und zwar so, „daß die zu erschießenden Gefangenen mit dem Gesicht an die Mauer gestellt wurden, und rückwärts durch Kopfschuß erschossen wurden.“ Im Jänner 1948 gelang ihm mit Unterstützung des Internationalen Roten Kreuzes und des Päpstlichen Hilfswerks für Gefangenen- und Flüchtlingsfürsorge die Flucht nach Argentinien. Dort lebte er mit seiner Familie, bis er 1990 nach Deutschland ausgeliefert wurde.

Haft auf der Festung Hohenasperg

Im Mai 1992 verurteilte das Landgericht in Stuttgart Schwammberger wegen des Mordes an 25 Männern und Frauen sowie wegen der Beihilfe des Mordes an 641 Menschen zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Vor und nach dem Prozess gab es Solidaritätsbekundungen vor dem Gerichtsgebäude. „Schluß mit den Justizmorden an wehrlosen NS-Greisen!“, war auf einem Plakat zu lesen. Josef Schwammberger starb am 3. Dezember 2004 im Vollzugskrankenhaus der Festung Hohenasperg in Baden-Württemberg im Alter von 92 Jahren. Eine Pflegekraft berichtete, dass er in seinen letzten Stunden mehrfach laut nach seinem Führer gerufen habe.

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Horst Schreiber: „Liebesverbrechen“,
Zwangsarbeit und Massenmord
NS-Täter und Opfer in Tirol, Polen und der Sowjetunion
Studien zu Geschichte und Politik, 
Band 29
26,90 Euro
ISBN 978-3-7065-6285-0
208 Seiten, gebunden