
Innsbruck vor 100 Jahren - Juli 1920
1. Juli 1920
Raubüberfall auf einen italienischen Offizier. Gestern nachts um halb 12 Uhr wurde in der Karmelitergasse 10 auf einen italienischen Offizier ein überaus verwegener und auch erfolgreicher Raubüberfall verübt. Der Offizier, ein italienischer Leutnant war im Begriff, in seine Wohnung zurückzukehren; als er durch den ebenerdigen Hausgang schritt, erhielt er einen wuchtigen Schlag ins Gesicht, so daß er zu Boden stürzte. Nach kurzer Betäubung richtete er sich wieder auf und merkte, daß ihm sein Dienstrevolver und seine Diensttasche mit Schecks, lautend auf 30.000, 15.000, 10.000 und 5000 Lire, ausgestellt von der Banca Italia, geraubt worden sei. Da der Leutnant bei der Heimkehr das Haustor offen ließ, ist es den unbekannten Tätern, die anscheinend ganz genaue Lokalkenntnis hatten, gelungen, zu entfliehen. Es scheint sich um einen planmäßig ausgedachten, wohlüberlegten Raubüberfall zu handeln, jedenfalls wußten die Täter von der größeren Geldsumme, die der Offizier bei sich trug. Die polizeilichen Erhebungen sind bereits im Zuge und werden hoffentlich in kürzester Zeit den Tätern auf die Spur führen.
2. Juli 1920
Über die Badegäste des Hungerburgseehotels, denen man ja den gesunden Genuß der Luft-, Wasser-, und Sonnenbäder gewiß gerne vergönnt, geht uns eine Beschwerde zu, in der es heißt: Man braucht kein Nörgler zu sein, aber es geht einem doch gegen alles Sittlichkeitsgefühl, wenn man im Garten des Seehotels neben den anderen Gästen, es sind Frauen und Kinder, nackte Burschen sitzen sieht, welche sich beim Bier ungeniert unterhalten. Die nasse, zusammengeschrumpfte Schwimmhose ist schon keine Bekleidung mehr zu nennen. Baum Zaune der See- und Gartenfront stehen ebenfalls Nackte, deren allzu freies Treiben an diesem vielbesuchten Orte denn doch nicht am Platze ist. Es ist gewiß keine Prüderie, wenn im Namen vieler Mütter und vieler anderer, die einen solchen Anblick nicht wollen oder suchen, gebeten wird, dieses Treiben entsprechend einzuschränken.
10. Juli 1920
Wettersturz. Nach einer Reihe von schwülen, ja heißen Tagen, fegte vorgestern ein staubaufwirbelnder Sturm durch die Straßen der Stadt; seit gestern nachmittags regnete es ununterbrochen und heute früh erfrischt uns eine ungewöhnlich kühle Morgenluft, der Himmel ist verhangen und Neuschnee deckt die Nordkette bis zur Höttingeralm. So sehr die Abkühlung uns Städtern willkommen ist, so hoffen wir, daß zu Gunsten der Ernte bald wieder warme Witterung eintritt.

12. Juli 1920
Milchbezug an Sommerfrischler. Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck verfügte, daß die Milchausgabe an Sommerfrischler in den Gemeinden aus den für die Stadt Innsbruck oder einem anderen Konsumzentrum angeforderten oder vertraglich vereinbarten Quantum durchwegs verboten ist. Ausgenommen von dieser Verfügung sind nur Innsbrucker, welche zur Sommerfrische an einem jener Orte, die Milch nach Innsbruck liefern, weilen, wenn sie eine Bestätigung des städt. Milchversorgungsamtes vorweisen, daß ihre Milchkarten in Innsbruck eingezogen wurden. Jene Bewohner Innsbrucks, die im Milchbezuge stehen, werden daher in ihrem eigenen Interesse auf obige Verfügung aufmerksam gemacht und ersucht, sich vor Abgang in die Sommerfrische im städt. Milchversorgungsamt zwecks Anweisung ihres Milchquantums in dem betreffenden Ort einzufinden.
13. Juli 1920
Nachtruhestörung. Heute nachts störten wieder einige Burschen durch Absingen von Liedern die Nachtruhe und weckten die Bewohner der Müllerstraße aus dem Schlafe. Es ist begreiflich, daß sich diese über das gegen sonstige Nachtruhestörungen, wie wir sie jetzt gewohnt sind, nicht übermäßig laute Singen aufregten, aber sicherlich haben einzelne Bewohner durch ihr Geschrei und Geschimpfe aus den Fenstern die Nachtruhe mehr gestört, als die Ständchen singenden Burschen.

19. Juli 1920
Eine wackere Tat eines Wachmannes. Gestern gegen 10 Uhr Vormittag ereignete sich auf der Maria-Theresienstraße ein Unfall, bei dem der städtische Sichherheitswachmann Benedikt Henn schwer verletzt wurde. Die Pferde eines aussichtslos vor dem Gasthause Oberrauch in Wilten stehenden sogenannten Salzburgerwagens der Firma Neumair wurden aus irgend einer Ursache scheu und rasten im Galopp durch die Leopold- und Maria-Theresienstraße hinunter. Bei der Annasäule wäre es unbedingt zu einem Zusammenstoße mit einem Zweier Wagen der Straßenbahn gekommen, da die Pferde wegen der an der rechten Straßenseite stehenden Fuhrwerke nicht ausweichen konnten, und direkt gegen den Straßenbahnwagen rannten. Da sprang der auf der vorderen Plattform des Wagens stehende Wachmann Henn ab und warf sich den Pferden in die Zügel. Er brachte sie wohl zum Stehen, geriet aber unter den Wagen und erlitt schwere äußere Verletzungen und starke Abschürfungen am ganzen Körper. Er wurde in der Wachstube im Rathaus verbunden und dann in das Spital überführt. Auch ein kleiner Knabe wurde von den Pferden niedergestoßen und im Gesichte verletzt. Der Vorfall hatte sehr großes Aufsehen erregt.
22. Juli 1920
Ein Tobsüchtiger erregte gestern abends in der Hofgasse viel Aufsehen. Der Alkohol hat den 24jährigen Mann in einen solchen Zustand gebracht, daß er nur durch die Fesselung gebändigt werden konnte.

23. Juli 1920
Aufruf an Menschenfreunde! Aus sibirischer Gefangenschaft ist ein Kamerad zurückgekehrt, dem beide Füße gelähmt sind. Sein Aufenthalt ist im Rollstuhl. Er ist vollkommen erwerbslos und wird daher gebeten, den Armen zu unterstützen. Beiträge wollen an die Schriftleitung der „Innsbrucker Nachrichten“ abgegeben werden, wo der Name des Invaliden bekannt ist.
28. Juli 1920
In die Sägemaschine geraten ist gestern früh auf einem hiesigen Holzplatz ein junger Hilfsarbeiter. Drei Finger der rechten Hand wurden ihm abgerissen. Die Rettungsabteilung schaffte den Verletzten, der mit Ohnmacht zu kämpfen hatte, in die chirurgische Klinik.
30. Juli 1920
Vier Schwerverbrecher entwichen. Wie wir erfahren, sind im Laufe der gestrigen Nacht vier Schwerverbrecher aus dem Innsbrucker Gefangenenhaus entwichen, darunter auch der bekannte Raubmörder Hay von Pians, von dem seinerzeit so viel gesprochen wurde.