Das um ca. 1920 aufgenommene Foto zeigt die Belegschaft der Molkerei Tollinger bei den Sillhöfen.
Das um ca. 1920 aufgenommene Foto zeigt die Belegschaft der Molkerei Tollinger bei den Sillhöfen.

Innsbruck vor 100 Jahren - April 1922

Aus dem Stadtarchiv von Angelika Kollmann-Rozin

1. April
Glockenweihe in St. Nikolaus. Vor kurzem sind von der Firma Graßmayr für die Kirche in St. Nikolaus zwei neue Glocken gegossen worden. Die Glocken werden am 9. April in feierlicher Weise durch den Propst Dr. Weingartner geweiht werden. Das Glockenkomitee veranstaltet am 2. April um 8¼ Uhr abends einen Unterhaltungsabend in der Innstraße 107, zu dem ihre Mitwirkung versichert haben: ein Oktett des Guitarreklubs von Innsbruck, der Kirchenchor von St. Nikolaus, der Lautensänger Herbert Lorenz, das Guitarreduett Bedendo und Lagger, der allseits bekannte Humorist Otto Loreck, die „Harmonie“ von St. Nikolaus (mit Lustspiel „Der Mord“). Mitwirkende: Herr Ferd. Schier, Peter Tutzer, Fidel Bucher, Otto Spielmann, Frl. Anna Wacker. Am Schlusse findet eine kleine Versteigerung statt.

5. April
Freiwilliger Tod aus Gram über den Tod des Exkaisers Karl. In der Nacht von Samstag zum Sonntag hat sich der ehemalige Gardeoffizier Baron von Pickl-Witkenberg aus Gram über den Tod seines ehemaligen Kaisers in seiner Wohnung in der Colingasse erschossen.

8. April
Die Inhaber von Schrebergärten zwischen Löwenhaus und Panoramagebäude, die diese im Vorjahre unmittelbar von der Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie in Innsbruck zugewiesen erhalten haben, und die den für das heurige Jahr fälligen Pachtzins noch nicht eingezahlt haben, werden eingeladen, im Laufe der nächsten Woche den Betrag von 1000 K (eintausend Kronen) bei der Buchhaltung dieser Kammer, Meinhardstraße 14, zweiter Stock, zu erlegen, widrigenfalls angenommen wird, daß sie den Garten aufzulassen beabsichtigen. Die betreffenden Abteile würden sodann an andere Bewerber vergeben.

11. April
Lawinengefahr im Karwendel. Die reichliche Schneelage und der in letzter Zeit gefallene Neuschnee erhöhen für die Osterzeit die Lawinengefahr im Karwendel. Zahlreiche Lawinenkegel sperren bereits das Karwendeltal. Bei Skitouren ins Karwendel ist größte Vorsicht geboten; vor Gipfelbesteigung muß dringend gewarnt werden. Das Karwendelhaus bleibt auch über die Feiertage geschlossen und wird nicht bewirtschaftet. Der Winterraum ist mit A.V. Schlüssel zugänglich, doch ist der Holzvorrat vollständig verbrannt und sind Schlafdecken nicht vorhanden.

Blick auf die Pfarrkirche von St. Nikolaus und einige Wohnhäuser. Im Hintergrund kann man das Viadukt der Hungerburgbahn und die schneebedeckte Nordkette erkennen.
Blick auf die Pfarrkirche von St. Nikolaus und einige Wohnhäuser. Im Hintergrund kann man das Viadukt der Hungerburgbahn und die schneebedeckte Nordkette erkennen.

18. April
Milchpantscherei ohne Ende. Es wird uns geschrieben: Die Gerichtssaalberichte der
letzten Zeit lassen erkennen, daß unter den milchproduzierenden Bauern die Milchpantscherei beinahe zu einer bösartigen Krankheit ausgeartet ist. Jahr aus, Jahr ein kann man in diesen Spalten immer dieselben Namen lesen, die sich eine Milchverfälschung zuschulden kommen ließen. Milch abrahmen, Milch mit Wasser verfälschen oder die gute Milch mit Magermilch vermischen, ist heute eine sogenannte Bauernregel, aber nur bei gewissen Bauern. Es vergeht keine Woche, in der nicht mehrere Bauern bei den Milchkontrollen beanständet werden. Und trotz der hohen Milchpreise schämen sich solche Bauern nicht, das einzige wichtige Nahrungsmittel für Kinder und Kranke, ja für alte und gebrechliche Leute noch zu verfälschen.

20. April
Der Streik der Innsbrucker Friseurgehilfen – beendet.
Am Dienstag, den 18. ds., fanden zwischen der Genossenschaft der Friseure und der Gehilfenvertretung neuerliche Verhandlungen statt, bei denen sich die beiden Streitteile auf eine 40-prozentige Lohnerhöhung einigten. Damit ist der Streik der Innsbrucker Friseurgehilfen, der acht Tage währte, beendet, die Arbeit wird von den Gehilfen am Donnerstag früh wieder voll aufgenommen werden.

21. April
Entwendung von Drahtleitungen. Vor einigen Tagen wurde die Wahrnehmung gemacht, daß von der Pfarrkirche in Wilten, der Kirche in St. Bartlmä und vom Futterhaus in St. Bartlmä in der Nähe des Stiftes Wilten Blitzableiter-Erdleitungsdrähte in 3
Längen aus Kupfer gestohlen worden sind. Die Drähte haben heute einen sehr hohen Wert. Der Diebstahl geschah vermutlich schon vor längerer Zeit, ist aber erst jetzt bemerkt worden.

Auf diesem Foto, das gegen Ende der 1920er-Jahre entstanden sein dürfte, sind die Sill, das St. Bartlmä Kirchlein und die Gebäude der ehemaligen Wiltener Stiftsmühle abgebildet.
Auf diesem Foto, das gegen Ende der 1920er-Jahre entstanden sein dürfte, sind die Sill, das St. Bartlmä Kirchlein und die Gebäude der ehemaligen Wiltener Stiftsmühle abgebildet.

27. April
Ein Zwischenfall im Colosseum. Von der Direktion der Colosseum-Lichtspiele erhalten wir folgende Zuschrift: Die vier angekündigten Lichtbildvorträge wurden abgesagt und es finden lediglich um 9 Uhr abends täglich die Vorführungen des Films: „Das Geld auf der Straße“ statt. Der Grund hierfür liegt darin, daß in dem Riesenraum des Colosseums diese Art von Vorträgen, die unbedingt eine gewisse Intimität des Raums erfordern, trotz der anerkannt vorzüglichen Leistungen der vortragenden Künstler, nicht zur Geltung kommen können, ein Umstand, der der Kinoleitung sehr wohl bekannt war, die jedoch, da diese Vorträge über Verwendung einflußreicher Persönlichkeiten gewünscht wurden, dagegen nicht gut Einsprache erheben konnte. – Diese Verfügung ist auf einen Vorfall zurückzuführen, der sich am Dienstag im Colosseum bei einem Vortrage von Prof. Boyer-Berghof über Salzburg als Musikstadt ereignet hat. Die Sängerin Frl. Laßen wurde von einigen Besuchern mehrmals in ihrem Vortrage gestört. Ein Großteil der Besucher verlangte stürmisch den Beginn der Kinovorstellung! Auch ein Zeichen der Zeit. 

28. April
Ein trauriges Zeichen der Zeit. Am Dienstag, vormittags 9 Uhr, wurden in einer belebten Straße Innsbrucks zwei Mädchen im Alter von ungefähr 16 bis 18 Jahren beobachtet, die volltrunken die Straße einhertaumelten. Eines der Mädchen hatte derart des Guten zuviel getan, daß es sich auf offener Straße erbrach. Der Vorfall
erweckte allgemein öffentliches Ärgernis und charakterisiert unsere heutigen Zeitverhältnisse.

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