
Gleichberechtigt auf der Straße
Straßen, die ohne Ampelregelung oder Schutzwege auskommen und in denen sich der Verkehr von selbst regelt? Seit der 25. Novelle der Straßenverkehrsordnung 2013 sind sogenannte Begegnungszonen gesetzlich erlaubt. Die Fahrbahn wird dabei zum gleichberechtigten Raum für FußgängerInnen, Radfahrende und Autos. Gegenseitige Rücksicht, Entschleunigung und Bodenmarkierungen sollen dafür sorgen, dass der Verkehr flüssig läuft. FußgängerInnen dürfen die Fahrbahn an jeder Stelle benützen oder queren, RadfahrerInnen auch nebeneinander fahren. Für alle gilt ein Tempolimit von 20 km/h. Ziel ist die Beruhigung des Verkehrs. Diese soll – so der Plan – zu einer Aufwertung und Belebung des öffentlichen Raums führen.
Probephase für Begegnungszone
In Kufstein, Zirl, Landeck und weiteren Tiroler Gemeinden gibt es solche Zonen bereits. Anlässlich der Europäischen Mobilitätswoche läuft die erste städtische Begegnungszone in der nördlichen Wilhelm-Greil-Straße, Meraner Straße und Erlerstraße im dreiwöchigen Probebetrieb. Dieser soll Aufschluss bringen, wo Umgestaltungen des Straßenraums notwendig sind. Die Entscheidung über den weiteren Betrieb trifft der Innsbrucker Gemeinderat am 8. Oktober. Weitere Begegnungszonen sollen bei der S-Bahn-Haltestelle Messe und am Mariahilf-Platzl entstehen. Bei der Neugestaltung des Bozner Platzes – hier läuft gerade der Architekturwettbewerb – ist ebenfalls eine verkehrsberuhigte Lösung angedacht.
„Die Innenstadt hat von der Verkehrsberuhigung auch wirtschaftlich enorm profitiert. Fußgängerzonen und verkehrsberuhigte Bereiche haben verhindert, dass die Kundinnen und Kunden in die großen Einkaufszentren am Stadtrand abgewandert sind. Das lebendige Stadtzentrum wollen wir ausbauen.“ (Vizebürgermeisterin Uschi Schwarzl)
Klimafreundlichkeit geht vor
Die Stadt arbeitet seit Jahren daran, den Verkehr klimafreundlicher zu gestalten. Beim kürzlich präsentierten Greenpeace-Mobilitätsranking – ein Vergleich aller Landeshauptstädte – liegt Innsbruck im Spitzenfeld: 70 Prozent aller Wege werden zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt. Der Auto-Anteil ist österreichweit am niedrigsten.
Hindernisfreie Straßen
Möglichst ungehindert von A nach B zu kommen ist nicht nur für die unterschiedlichen VerkehrsteilnehmerInnen, sondern auch für Menschen mit eingeschränkter Mobilität ein wichtiges Anliegen. Die Stadt, die für den Bau und die Erhaltung von Straßen verantwortlich ist, hat gesetzliche Vorgaben wie Normen und Richtlinien einzuhalten. Darüber hinaus sorgt der seit 2002 bestehende Behindertenbeirat (BBR) dafür, dass Verkehrshindernisse wie Stufen oder schwer passierbare Stellen erkannt und beseitigt werden. „Bei der barrierefreien Gestaltung des Straßenraums sind wir in Innsbruck an vorderster Stelle in Österreich“, erklärt der technischer Behindertenbeauftragte Ing. Martin Exenberger. Als technischer Beauftragter des BBR bekommt er laufend Hinweise, wo sich Hindernisse befinden. Kontrollen vor Ort und – falls nötig – Anzeigen führen meist rasch zum Erfolg, sprich deren Beseitigung.
Leitsystem wird sichtbar
Eine lang erhoffte Verbesserung steht auch beim taktilen Leitsystem bevor: Konkret geht es um die farbliche Markierung der taktilen Leitsysteme bei wichtigen Straßen und Haltestellen und Gebäudeanbindungen, die Sehbehinderten Menschen die Orientierung im Straßenraum erleichtern sollen. „Die Leitlinien werden immer wieder durch gedankenlos abgestellte Fahrzeuge wie E-Scooter oder Fahrräder, etwa vor dem Kaufhaus Tyrol, verstellt. Hier braucht es mehr Problembewusstsein und Aufmerksamkeit“, ist Exenberger überzeugt. Generell gilt: Respekt voreinander auf der Straße ist nie verkehrt. WG
Welche Idee steckt hinter dem eher sperrigen Begriff „Begegnungszone“?
In einer Begegnungszone sollen alle langsam und sicher unterwegs sein, egal ob sie zu Fuß gehen, mit dem Rad fahren, im Auto oder im Bus sitzen. Autos und Busse dürfen Fußgängerinnen und Fußgänger nicht gefährden oder den Radverkehr behindern. Wer zu Fuß geht, darf keine Fahrzeuge mutwillig behindern.
Was sagen Sie zur Befürchtung, dass es in der Innenstadt deshalb vermehrt zu Staus kommen könnte?
Geschwindigkeitsreduktionen und die Anpassung der Geschwindigkeit aller Beteiligten führen zu Gleichmäßigkeit, nicht zu Stau.
Ist die Verkehrssicherheit gewährleistet?
Davon bin ich überzeugt. Die Begegnungszone setzt auf gegenseitige Rücksichtnahme und eine sehr niedrige Geschwindigkeit von höchstens 20 km/h. Die Bremswege verringern sich dabei massiv und die Verkehrssicherheit wird verbessert.