In Projektphase 2 wird der Pavillon errichtet, der Raum zur Reflexion bietet.
In Projektphase 2 wird der Pavillon errichtet, der Raum zur Reflexion bietet.

Erinnerung und Unterstützung

2026 wird in Innsbruck Geschichte sichtbar gemacht: Der Gedenkort Reichenau entsteht als zentrales Zeichen historischer Verantwortung und Erinnerungskultur. Bereits eröffnet wurden die modernen Räume am Domanigweg in Amras für Beratung, Betreuung und Übergangswohnen für Frauen, Kinder und Jugendliche

Das von Vizebürgermeister Georg Willi verwaltete Gesamtbudget von rund 80 Millionen Euro setzt 2026 deutliche Schwerpunkte: Es stärkt die Innsbrucker Erinnerungskultur, verbessert die Rahmenbedingungen sozialer Unterstützung und schafft die dafür benötigte Infrastruktur. Ein Schwerpunkt liegt auf Maßnahmen, die Menschen in herausfordernden Lebenssituationen Stabilität geben, sowie auf Projekten, die historisches Wissen zugänglich machen und ein aktives Bewusstsein für die Vergangenheit fördern. Das Innufer östlich der Grenobler Brücke ist derzeit geprägt von den Arbeiten rund um die Entstehung des Gedenkorts Reichenau, der in unmittelbarer Nähe des ehemaligen NS-Lagerkomplexes errichtet wird.

Ziel ist eine zeitgemäße, würdige Gedenkstätte für die Menschen, die dort während der NS-Zeit inhaftiert waren und ermordet wurden. „Über Jahrzehnte lag dieser Ort weitgehend im Verborgenen. Nun wird er sichtbar gemacht und behutsam in den Stadtraum eingebettet, damit sein historisches Gewicht künftig einen festen Platz im öffentlichen Bewusstsein erhält. Der neue Gedenkort lädt zur Bildung, Einkehr und  Auseinandersetzung ein – ein Ort, an dem neueste historische Erkenntnisse und zeitgemäße Ansprüche an Erinnerungskultur zusammenfinden. Der Imperativ des ‚Nie wieder‘ soll hier spürbar werden und uns gerade in der heutigen Zeit Orientierung geben“, betont Kulturreferent Vizebürgermeister Georg Willi.

Gedenkort nimmt Form an

Die Umsetzung begann mit der Präsentation erster Prototypen der Namenssteine für die Toten des Lagers im Mai des Vorjahres. Die laufenden Forschungen haben bislang 115 Personen namentlich ermittelt. Aktuell werden die landschaftliche Neugestaltung, neue Wegeverbindungen, gepflasterte Oberflächen und die Namenssteine umgesetzt. Ergänzend entstehen ein Audioweg, eine analoge Informationstafel sowie ein digitales Archiv, das historische Inhalte online zugänglich macht. In der nächsten Projektphase wird der Gedenkort vervollständigt: Ein Pavillon markiert künftig den Zugang zum Areal und bietet einen geschützten Rahmen für Information und Innehalten. Vorgesehen sind Displays mit historischen und didaktischen Inhalten, Sitzgelegenheiten sowie eine Beleuchtung, die Besuche auch am Abend ermöglicht.

Eine Dachskulptur sorgt zusätzlich für Witterungsschutz und setzt ein klares Zeichen im Stadtraum. Die Gesamtkosten betragen rund 1,2 Millionen Euro, davon übernimmt die Stadt 840.000 Euro, der Rest wird durch externe Fördermittel – unter anderem von Land Tirol und Sponsoren – getragen.

Erinnerungskultur und soziale Unterstützung sind zwei Seiten derselben Verantwortung – gegenüber der Geschichte der Stadt und den Menschen, die heute in Innsbruck leben.

Vizebürgermeister Georg Willi

Vizebürgermeister Georg Willi

Ein Haus für soziale Stabilität

Während der Gedenkort den Blick in die Vergangenheit öffnet, stärkt die Stadt Innsbruck am Domanigweg 3 und 3a das soziale Netz der Gegenwart. Gemeinsam mit der Innsbrucker Immobilien GmbH (IIG) entstanden dort dringend benötigte Kapazitäten für soziale Einrichtungen. Das Gebäude aus den 1960er-Jahren wurde umfassend saniert, in Passivhausqualität erneuert und um ein weiteres Geschoß in Holzbauweise erweitert. Der östliche Gebäudeteil mit dem städtischen Schülerhort bleibt bestehen, der Ende 2025 fertiggestellte westliche Teil bietet nun über 2.500 Quadratmeter barrierefreie Nutzfläche für Beratung, Betreuung und Wohngruppen. Die Gesamtkosten betragen rund 7,7 Millionen Euro. „Gerade Kinder, Jugendliche und Frauen brauchen in schwierigen Phasen verlässliche Strukturen und professionelle Unterstützung. Am Domanigweg finden Einrichtungen optimale Bedingungen vor, um rasch und zielgerichtet helfen zu können“, unterstreicht Vizebürgermeister Georg Willi.

Beratung und Übergangswohnen

Im südlichen Gebäudeteil bündelt der Verein lilawohnt erstmals sein gesamtes Angebot an einem Ort. Die Organisation unterstützt Frauen, die dringend eine sichere Wohn- und Lebenssituation benötigen. Im Erdgeschoß und im ersten Obergeschoß sind Beratungs-, Besprechungs- und Gemeinschaftsräume untergebracht, in den beiden darüberliegenden Geschoßen befinden sich sechs Wohneinheiten (für alleinstehende Frauen) und vier modulare Wohneinheiten (für Frauen und Kinder), zwei davon barrierefrei bzw. rollstuhlgerecht. Insgesamt zehn Frauen und zusätzlich vier bis acht Kinder in akuten Notlagen finden hier geschützte Räume und verbindliche Unterstützung.

Der nördliche Gebäudeteil wird von der Tiroler Kinder- und Jugend GmbH genutzt. Eine Mini-WG, mehrere Wohngruppen sowie Arbeits- und Gemeinschaftsräume bieten 24 Plätze für Kleinkinder, Kinder und Jugendliche. Die Einheiten verfügen über direkten Zugang zu den Außenbereichen, ein zusätzlicher Lift stellt die barrierefreie Erschließung sicher. Während der Neuentwicklung des Kinderzentrums Pechegarten dient das Erdgeschoß des angrenzenden Gebäudes Domanigweg 3b als Ausweichstandort für die sozialpädagogische Tagesbetreuung. MF

Erinnerungskultur im Stadtarchiv/Stadtmuseum

Broschüre „Gedenkort Reichenau: Geschichte und Zukunft“

Die Broschüre bietet eine kompakte, wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung der Geschichte des Lagerkomplexes Reichenau und erläutert die Hintergründe des neuen Gedenkorts. Sie beinhaltet etwa die Entstehung und die historische Entwicklung des Lagerkomplexes und bietet einen Überblick aktueller Forschungsergebnisse und archäologische Erkenntnisse. Die Broschüre kann entweder unter www.innsbruck.gv.at/gedenkort-broschuere abgerufen oder im Online-Shop des Stadtarchivs unter www.innsbruck.gv.at/shop bestellt werden.

Podcast „Archivwürdig“ – Stadtarchiv Innsbruck

In der aktuellen Staffel ordnet die Podcast-Sendung „Archivwürdig“ den früheren Lagerkomplex historisch ein, erläutert die Forschungsgrundlagen und begleitet den Entstehungsprozess des neuen Gedenkorts. In Gesprächen mit HistorikerInnen, Projektbeteiligten sowie Stimmen aus Forschung und Erinnerungskultur werden Konzept, Gestaltung und pädagogische Vermittlung ausführlich beleuchtet. Abrufbar unter: www.innsbruck.gv.at/podcasts