
Inklusion für alle Sinne
Der Feueralarm im Hotel, der nur akustisch funktioniert – der Hörbeeinträchtigte bleibt auf der Strecke. Die Umleitung bei der Baustelle, die in einer für Rollstühle, Rollatoren (oder auch Kinderwägen) unüberwindbaren Rampe mündet. Eine kurzfristige Bahnsteig-Änderung am Bahnhof kommt als Durchsage: Wer nichts hört, gelangt nicht an die Information. Der moderne Touchscreen im Museum ohne separates, tastbares Eingabefeld – all das erschwert den Alltag behinderter Menschen.
Dabei könnte es so einfach sein: Viele Hürden lassen sich mit einfachen technischen oder baulichen Möglichkeiten überwinden und ermöglichen die Teilhabe aller Menschen. Zusatztexte, Hinweise und Anleitungen in Einfacher oder Leichter Sprache helfen beispielsweise auch Menschen, die generell mit sinnerfassendem Lesen Probleme haben – davon sind in Tirol rund 270.000 Menschen betroffen.
Gleiche Rechte
Menschen mit Behinderungen möchten als Teil der Gesellschaft gleichwertig behandelt werden und selbstverständlich dazugehören. Sie haben dieselben Rechte wie jede Bürgerin und jeder Bürger und streben danach, ihr Leben weitgehend selbstständig zu führen – sei es beim Wohnen, in der Freizeitgestaltung, im Verkehr, in der Arbeit oder in der Schule. Aufgrund ihrer Eingeschränktheit in bestimmten Bereichen sind sie jedoch auf Unterstützung angewiesen. „Das Spektrum, das es zu berücksichtigen gilt, ist sehr groß, denn jeder Mensch mit Behinderungen ist anders“, erklärt Mag. Wolfgang Grünzweig, einer der städtischen Behindertenbeauftragten.
Barrierefreiheit wurde lange nur als Erleichterung für in ihrer Mobilität beeinträchtigte Personen verstanden. Aber auch Blinde, die keine Lichtsignale sehen, oder Gehörlose, die keine akustischen Signale wie Türglocken oder Feuermelder wahrnehmen können, sind auf Unterstützung angewiesen. „Mitunter sind einfache technische Lösungen möglich, die man insbesondere bei Neubauten mit bedenken sollte“, hält Wolfgang Grünzweig fest.
Neue Anlaufstelle
Um auf diese geänderten Rahmenbedingungen eingehen zu können und den betroffenen Menschen einen professionellen Anlaufpunkt zu bieten, steht im Stadtmagistrat ab 1. September eine eigene Koordinationsstelle für Barrierefreiheit, Inklusion und Teilhabe zur Verfügung. Die ressortzuständige Vizebürgermeisterin Mag.a Elisabeth Mayr erklärt: „Diese Stelle bedeutet eine Stärkung des wichtigen Themas Inklusion und ist eine wertvolle Ergänzung zum Behindertenbeirat (BBR), der seit 2002 den Gemeinderat und den Stadtsenat als unabhängiges, weisungsfreies Beratungsorgan ehrenamtlich unterstützt und sich als Interessenvertretung aktiv für Barrierefreiheit, Inklusion und Teilhabe aller Menschen in Innsbruck einsetzt.“
Jeder Mensch hat das Recht, sein Leben möglichst selbstbestimmt zu führen. Unterstützung macht das Leben leichter – wir wollen mittels verschiedener Gremien und Anlaufstellen Menschen mit Behinderungen die gleichen Chancen bieten, so wie es ihnen zusteht. Zugleich soll auch die Bevölkerung für diese Themen sensibilisiert werden. Vizebürgermeisterin Elisabeth Mayr |
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Im September 2024 wurde Julia Golser (Selbstbestimmt Leben Innsbruck/SLI) zur Vorsitzenden des Behindertenbeirats gewählt. VertreterInnen von 16 Institutionen repräsentieren darin die Interessen von Menschen mit Behinderungen in der Stadt. Unter Mitwirkung des Beirats wurden unter anderem bauliche Maßnahmen für Barrierefreiheit umgesetzt, die digitale Inklusion vorangetrieben und die Bedürfnisse behinderter Menschen werden in politischen Prozessen stärker berücksichtigt.
Das Leben erleichtern
Gemeinsam mit Wolfgang Grünzweig betont Vizebürgermeisterin Elisabeth Mayr: „Es gilt an vielen Stellschrauben zu drehen und das Bewusstsein für ein barrierefreies Leben weiter zu stärken. Wir als Stadt Innsbruck versuchen als Vorbild zu wirken, gerade bei der Neugestaltung von Spiel- und Aufenthaltsplätzen, dem Bau von Bildungseinrichtungen und dem bestens etablierten Gebärdensprach- und Schriftdolmetschen von Gemeinderatssitzungen.“
Beide erklären zudem: „Wir setzen uns auch weiterhin dafür ein, dass möglichst alle Veranstaltungsräume, Sportstätten, Gastgärten und Baustellen barrierefrei gestaltet werden.“ Wolfgang Grünzweig ergänzt zwei ganz praktische Beispiele: „Ein Bewohner eines Mehrparteienhauses hat nach einem Unfall auch etwas vom nachträglich eingebauten Lift, selbst wenn die Anschaffung vergleichsweise teuer war und er selbst zum Zeitpunkt des Einbaus noch keinen Eigenbedarf hatte. Genauso kann jemand mit Hörsturz oder Tinnitus eine blinkende Türklingel mit sichtbarem Signal gut brauchen.“ Abschließend ist das Fazit zulässig, dass 10 Prozent der Bevölkerung die Unterstützung durch barrierefreie Maßnahmen ständig braucht und 50 Prozent zeitlich beschränkt. Für 100 Prozent aber macht sie das Leben leichter. AS
• Behindertenbeirat der Stadt Innsbruck, www.innsbruck.gv.at/behindertenbeirat
• Gehörlosenverband Tirol, Ing.-Etzel-Straße 67, Telefon +43 512 586162, www.gehoerlos-tirol.at
• Blinden- und Sehbehindertenverband Tirol (BSVT), Amraser Straße 87, Telefon +43 512 33422, www.bsvt.at
• Bundesverband für Menschen mit Behinderungen (ÖZIV Tirol), Bürgerstraße 12, Telefon +43 512 571983, www.oeziv-tirol.at
• Selbstbestimmt Leben Innsbruck (SLI), Anton-Eder-Straße 15, Telefon +43 512 578989, www.selbstbestimmt-leben.at
• Integration Tirol, Haller Straße 109, Telefon +43 699 19995556, www.integration-tirol.at (Familienberatung)
• Verein frei:wärts, +43 660 925 9159, www.freiwaerts.com (persönliche Assistenz)
• Innovia Arbeitsvermittlung, Rennweg 7a, Telefon +43 676 84384330, www.innovia.at
• Selbsthilfe Tirol, Innrain 43, Telefon +43 512 577198, www.selbsthilfe-tirol.at
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