Ansicht des Scheuchenstuel’schen Areals von Osten aus. Im Vordergrund ist  eben den Straßenbahnlinien der unverbaute Teil zur Bruneckerstraße zu sehen.
Ansicht des Scheuchenstuel’schen Areals von Osten aus. Im Vordergrund ist eben den Straßenbahnlinien der unverbaute Teil zur Bruneckerstraße zu sehen.

Josefine von Scheuchenstuel: eine Innsbruckerin, die man kennen sollte

Immer wieder begegnet man in Innsbruck noch heute dem Namen Scheuchenstuel, etwa in der „Scheuchenstuelgasse“ in der Höttinger Au oder dem gleichnamigen Mädchenheim in der Museumstraße. Doch wer war die namensgebende Josefine von Scheuchenstuel eigentlich?

Als Josefa Franziska Stabile von Sailenberg wurde Josefine in Görz (heute Gorizia/Venetien) 1811 geboren. Sie besuchte die Volksschule, was damals für Mädchen noch eine Ausnahme darstellte. Der Lebensweg für Mädchen war damals durch gesellschaftliche Vorgaben geregelt: Sie wurden zu Hausfrauen und Müttern, standen oft im Schatten ihrer Ehemänner und wirkten vor allem zu Hause. Eine gute Bildung rückte dabei in den Hintergrund.

Eine ähnliche Laufbahn sollte auch Josefine beschieden sein. Im Jahr 1834 heiratete sie Anton von Scheuchenstuel, ein Jahr später kam Tochter Antonia zur Welt. Die Familie folgte den beruflichen Stationen Antons, der im Jahr 1845 erstmals nach Innsbruck berufen wurde. Nach einem Aufenthalt in Trient kehrte die Familie 1855 wiederum nach Innsbruck zurück. Während Anton als Ehrenbürger der Stadt Innsbruck und Präsident des Landgerichts zu Ruhm und Ehre gelangte, wurde von Josefine den gesellschaftlichen Rollenbildern entsprechend erwartet, eine repräsentative Beamtengattin abzugeben.

Von der Gründung des ersten Waisenhauses zum Bau des Mädchenheims

Doch Josefine wurde auch selbst für die Gesellschaft tätig. Vermutlich war die Tatsache, dass sie zumindest eine elementare Ausbildung erhalten hatte, ausschlaggebend, sich in ihrem späteren Lebenswerk der Förderung von Kindern, insbesondere Mädchen, zu widmen. Sie kaufte ein Gebäude des Jesuitenkonvikts in der Museumstraße und eröffnete dort – trotz öffentlicher Kritik – 1869 ein „Mädchen-, Waisen und Erziehungshaus“ . Im Jahr 1875 folgte die Gründung der Scheuchenstuel’schen Stiftung. Diese wurde vor allem durch Spenden von WohltäterInnen finanziert. Nach dem Tod Josefines im Jahr 1887 übernahm deren Tochter Antonia die Leitung. Die Scheuchenstuelgasse wurde 1962 übrigens nur nach den beiden Frauen, nicht nach Josefines Ehemann Anton benannt.

Der Erste Weltkrieg ließ die Zahl der verwaisten Kinder stark ansteigen. So waren im Jahr 1918 rund 160 Waisenkinder im Heim untergebracht, obwohl die Aufnahmegrenze bei 120 lag. Die folgenden Jahrzehnte waren immer wieder von finanziellen Schwierigkeiten geprägt, 1939 folgte schließlich die Auflösung der Stiftung und die Übertragung des Vermögens an die NS-Wohlfahrt und die Stadtgemeinde. Restitution und Wiederaufbau erfolgten ab dem Jahr 1949. Das ehemalige Waisenhaus wurde dem damaligen Caritas-Direktor Josef Steinkelderer übergeben, der das Gebäude restaurierte, ein Mädchenheim einrichtete und bis 1978 dort auch die Caritas-Zentrale betrieb. Vielen InnsbruckerInnen ist das Gebäude daher heute noch auch als „Caritas-Heim“ geläufig. Im Jahr 1979 erfolgte schließlich der Neubau des Gebäudes.

Die Scheuchenstuelstiftung heute

Seit 1980 betreibt die Scheuchenstuel-Stiftung ein Mädcheninternat in der Innsbrucker Museumstraße und seit 1994 die Kinderbetreuungseinrichtung Kravogl in der Kravoglstraße in der Reichenau.

Das Mädchenheim bietet 81 Schülerinnen zwischen 14 und 19 Jahren während ihrer Schulzeit ein Zuhause. Die Mädchen kommen aus verschiedenen Regionen Tirols und Vorarlbergs und absolvieren eine schulische Ausbildung, die es in ihrem Heimatort oder ihrer näheren Umgebung nicht gibt.

Lernbetreuung, Unterstützung bei persönlichen Herausforderungen und der Einsatz für ein gutes Leben in der Gemeinschaft sind Arbeitsauftrag der MitarbeiterInnen im Internatsalltag. Bei ihrer Entwicklung vom Mädchen zur erwachsenen Frau werden die Schülerinnen unterstützt, sich aktiv, mutig und kreativ für Gleichheit, Toleranz und Humanität einzusetzen.

Die Kinderbetreuungseinrichtung Kindervilla Kravogl bietet vierzig Kindern zwischen einem und zehn Jahren Platz in der Kinderkrippe, im Kindergarten und im Hort. Hier erfahren sie liebevolle Betreuung und Begleitung und werden als eigenständige Persönlichkeiten mit Stärken und Schwächen respektiert. Das Bildungsprogramm wird auf die individuellen Bedürfnisse und den jeweiligen Entwicklungsstand der Kinder abgestimmt. Durch das Angebot einer hochwertigen Kinderbetreuung wird für Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert.

Die beiden Betriebe werden pädagogisch, wirtschaftlich und organisatorisch durch eigenständige Leiterinnen geführt. Ein sechsköpfiger Vorstand unter der Leitung des jeweiligen Dompropstes von St. Jakob verwaltet und verantwortet die Verwendung des Stiftungsvermögens im Geiste der Stifterin Josefine von Scheuchenstuel.

geschrieben von Hanna Fritz (Stadtarchiv Innsbruck) und Peter Schumacher (Obmann-Stellvertreter) der Scheuchenstuel-Stiftung)

[Literaturhinweis: Thomas Schwaiger, Die Geschichte der Scheuchenstuel’schen Stiftung. Josefine von Scheuchenstuel und ihre Stiftung. Von der Gründung des Waisenhauses (1869) bis zum Abbruch des Mädchenheimgebäudes (1979). Innsbruck 2013.]

Portrait von Josefine von Scheuchenstuel
Portrait von Josefine von Scheuchenstuel