Das Samariterinnenkorps bei der Luftschutzübung am 26.09.1934. An der Spitze Marie Gabrielle zu Lodron-Laterano (Ausschnitt).
Das Samariterinnenkorps bei der Luftschutzübung am 26.09.1934. An der Spitze Marie Gabrielle zu Lodron-Laterano (Ausschnitt).

Samariterinnen bei der Rettungsgesellschaft?

Vor 115 Jahren nahm die Rettungsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck den öffentlichen Rettungsdienst auf. Unter den Mitgliedern fanden sich keinerlei Frauen. 1934 wurden Frauen in Tirol erstmals zu Sanitäterinnen ausgebildet.

von Ernst Pavelka

Bei der Jahreshauptversammlung des Landesvereines vom Roten Kreuz für Tirol am 23. April 1934 verkündete dessen Vizepräsidentin, Ottilie Stainer, Erstaunliches: Man plane die „Heranbildung einer weiblichen Samaritergruppe“ („Samariter“ = „Sanitäter“). Notwendig wäre dieser Schritt, führte Dr. Carl Waitz, der beim Tiroler Roten Kreuz Hauskrankenpflegekurse leitete und als Fachreferent für Tuberkulosefürsorge tätig war, aus, weil sich „Unfälle weiblicher Sportler in erschreckender Weise vermehrt“ hätten.


Das Interesse am ersten Sanitätshilfekurs für Frauen, war enorm. Dies wurde von zeitgenössischen Zeitungen als „Zeichen, dass Hilfsbereitschaft und uneigennützige Betätigung für den Nächsten dem weiblichen Geschlechte nach wie vor innewohnt“ gewertet. Wegen des großen Andrangs musste die Teilnehmerinnenzahl auf 50 beschränkt werden. Die Durchführung der Ausbildung oblag neben Dr. Carl Waitz den Krankenschwestern Marie Gabrielle Lodron und Helene Sternberg. Erstere war als Trägerin der Florence-Nightingale-Medaille, die sie 1929 für ihre Leistungen während des Erstens Weltkriegs verliehen bekommen hatte, hoch angesehen, Letztere hatte ehemals die Krankenpflegeschule des Wiener Krankenanstaltenfonds als Oberin geleitet. Die Ausbildung fand in einem Lehrsaal der Freiwilligen Rettungsgesellschaft in der Wilhelm-Greil-Straße 23 statt.


Frauen konnten zu diesem Zeitpunkt – im Gegensatz zu einzelnen anderen Rettungsdiensten in Österreich – bei der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck als Sanitäterinnen noch nicht tätig werden. Die Sanitäter waren in zwei ausschließlich männlich besetzten Dienstgruppen mit jeweils einem Gruppenführer und dessen Stellvertreter organisiert. Mindestanforderung an die eigenständige Tätigkeit im Rettungsdienst war die sogenannte „Samariterprüfung“ im Anschluss an den „Samariterkurs“.


Nachdem die Teilnehmerinnen des ersten Samariterinnenkurses am 13. Juli 1934 die Prüfung abgelegt hatten, traten sie als „Samariterinnenkorps vom Roten Kreuz” geschlossen auf. Erstmals bewährte sich das Korps in der Versorgung von „verletzten“ Figuranten bei der Luftschutzübung der Innsbrucker Rettungsgesellschaft am 24. Juli 1934 im Hof der Klosterkaserne, noch in der Ausbildung dürfte es schon beim „Tag der Jugend“ der Vaterländischen Front am 29. Mai 1934 erstmals öffentlich in Erscheinung getreten sein. Bei der von Chefarzt Dr. Viktor Tschamler und dem Luftschutzreferenten der sechsten Brigade des Bundesheeres, Hauptmann Ludwig Kachina, geleiteten Luftschutzübung handelte es sich um eine Vorübung für eine große Luftschutzübung aller Einsatzorganisationen am 26. September 1934. Auch an dieser Übung nahm das Samariterinnenkorps in einer Stärke von wohl 21 Frauen teil.
Luftschutz erlangte damals im Zivilschutz zunehmend an Bedeutung, weil man im Kriegsfall Angriffe durch die Luftwaffe im Hinterland erwartete. Die Rettungsgesellschaft war in behördliche Maßnahmen durch die Landesluftschutzkommission eingebunden. Das Schulungsprogramm zeigt in den Jahren 1934–1936 einschlägige Schwerpunkte. Die Samariterinnen wurden zu den Vorträgen eingeladen und nahmen auch teil. Stand die Schaffung einer „weiblichen Samaritergruppe“ in Zusammenhang mit zu erwartendem erhöhtem Personalbedarf im zivilen Luftschutz?


Im Oktober 1934 wollte Ottilie Stainer das Samariterinnenkorps der Innsbrucker Rettungsgesellschaft unterstellen, vermutlich um es auch im Rettungsdienst einsetzen zu lassen. Der Ausschuss der Rettungsgesellschaft entschied am 24. Oktober 1934 allerdings, „die Samariterinnen der Rettungsgesellschaft möglichst fern zu halten“, „was allseits Zustimmung“ fand. Die Mitglieder des Ausschusses einigten sich darauf, „mit dem Roten Kreuz ein Übereinkommen zu treffen, laut welchem die Samariterinnen vollkommen selbstständige Organisation zu bleiben haben“. „Nur bei gewissen Veranstaltungen, wie großen Kundgebungen, Unruhen, Notständen etc. Übungen im Großalarm usw. sollen die Samariterinnen fallweise zur Mithilfe herangezogen werden.“ Bis 1938 wird immer wieder über die Teilnahme von Samariterinnen bei Übungen und Ambulanzen sowie ihr Auftreten als Ersthelferinnen berichtet. Mit der Auflösung des Tiroler Roten Kreuzes zugunsten des Deutschen Roten Kreuzes war auch das Samariterinnenkorps Geschichte.

 

Wir bitten Personen, die als Nachkommen von Samariterinnen oder aus andern Gründen Informationen und Quellen (Fotos, Dokumente etc.) zum Samariterinnenkorps beisteuern können, sich bei der Redaktion zu melden.