
Pantoffeltierchen für sauberes Wasser
aus dem Stadtarchiv/Stadtmuseum von Susanne Gurschler
Die bayerischen Nachbarn rümpften die Nase. Und nicht nur sie. Wer östlich von Innsbruck und am Inn wohnte, musste olfaktorisch einiges aushalten. Das legt ein Beitrag nahe, der 1958 in der „Tiroler Tageszeitung“ stand. Dort hieß es: „Die Verunreinigung des Inns durch die Zuführung ungeklärter Abwässer hat bereits Beschwerden der Deutschen Republik hervorgerufen. Der Bau einer Kläranlage darf daher nicht mehr aufgeschoben werden.“
Vom Konzept zur Eröffnung
Etwas mehr als zehn Jahre später war es soweit: Am 25. Juni 1969 fand die Eröffnung des Klärwerkes Roßau im Südosten von Innsbruck statt. Nach der Kanalisierung großer Gebiete ein weiterer Meilenstein im Abfall- und Abwassermanagement der Stadt.
Bereits 1957 hatte die Innsbrucker Stadtführung ein Konzept für die Abwasserbeseitigung erstellt. 98 Kilometer Kanäle wurden in den folgenden Jahren verlegt, rund 666 Hektar Wohn-, Gewerbe- und Industriegebiet kanalmäßig erschlossen. Damit war das Thema natürlich nicht erledigt, galt es doch, die Abwässer so aufzubereiten, dass sie problemlos in den Inn geleitet werden konnten.
1964 gab es erste detaillierte Pläne für das Klärwerk Roßau, drei Jahre später begannen die Bauarbeiten. Insgesamt standen 62.000 Quadratmeter für die Anlage zur Verfügung. Die Gesamtkosten waren mit 29,5 Mio. Schilling veranschlagt, ein Teil davon wurde über Kanalgebühren und Steuern finanziert, ein Teil über ein Darlehen, das der Wasserwirtschaftsfond des Bundes gewährte.
Bereits bei der Eröffnung stand fest, dass es eine Erweiterung um eine Müll- und Schlammverbrennungsanlage geben sollte, sobald die entsprechenden Mittel zur Verfügung stünden; rund 13.000 Quadratmeter des Areals waren für den Bau einer biologischen Kläranlage reserviert.

Von den Ergebnissen des Klärwerks
Mit Kanalnetz und Klärwerk hatte die Stadt Innsbruck die zentralen Abwasserprobleme in den Griff bekommen. Allerdings fehlte noch die Kanalisierung unter anderem von Hötting, der Hungerburg, Arzl und Amras – zudem waren die Kanalarbeiten in Igls und Vill noch nicht abgeschlossen. Es gab also einiges zu stemmen, die Kläranlage aber brachte schon einmal tolle Ergebnisse, was die Weiterleitung des geklärten Wassers in den Inn anbelangte: Täglich wurden rund 60.000 Kubikmeter Abwässer bearbeitet und 35 Prozent sauberer gemacht.
Die Reinigung erfolgte in mehreren Schritten: Eine Rechenanlage sortierte die festen Bestandteile aus, im „Sandfang“ kamen Asche, Sand und Straßenabrieb weg, in der Absetzanlage dann alle Schwimmstoffe. Der Abwasserschlamm wurde in zwei beheizten Faultürmen reduziert, verfestigt und in Schlammteiche abgelassen.
Wenige Jahre später kamen nicht nur die Abwässer des linken Innufers dazu, sondern auch die von Völs, Aldrans, Lans und Sistrans – weitere Umlandgemeinden meldeten Interesse an, ans Klärwerk Roßau angeschlossen zu werden. 1976 erhielt das Klärwerk Roßau eine biologische Stufe.
Beide Stufen, also die mechanische und biologische, waren nun auf 230.000 „Einwohnergleichwerte“ ausgerichtet, mit der biologischen Stufe sollte sich die Sauberkeit der Abwässer noch einmal signifikant erhöhen. Die mikrobielle „Behandlung“ der verbliebenen Stoffe übernahmen unter anderem Glockentierchen, Wimpertierchen und Pantoffeltierchen, indem sie sich über die restlichen Feststoffe hermachten und Sauerstoff zugeführt wurde.
In einem „Belebtschlammverfahren“ – dieses lief in insgesamt in 16 Becken – wurden die Abwässer weiter gereinigt, sodass sie, wenn sie in den Inn abgeleitet wurden, „93 Prozent ihrer ursprünglichen Schmutzstoffe verloren” hatten, wie es 1976 im Mitteilungsblatt der Stadt Innsbruck hieß. Ab diesem Jahr erzeugte die Kläranlage Roßau zudem Biogas aus Klärschlamm; die Stadt war bereits zu 90 Prozent kanalisiert.

Vorreiter durch voll biologisch geklärte Abwässer
Die „Aufrüstung“ des Klärwerks stieß bei der Bevölkerung auf reges Interesse. Am Tag der offenen Tür nutzten mehr als 2.000 InnsbruckerInnen die Gelegenheit, sich ein Bild von der erweiterten Anlage zu machen. Das Limnologische Institut der Universität Innsbruck stellte fest, dass der Inn unterhalb der Stadt nun die gleiche Wasserqualität aufwies wie oberhalb. Darüber hinaus war Innsbruck die erste Großstadt Österreichs, die ihre Abwässer voll biologisch klärte.
1989 fasste die Stadtregierung den Beschluss für eine neuerliche Erweiterung, nicht zuletzt, weil die Gemeinden des Mittelgebirges an das Klärwerk Roßau andocken wollten. Das bisher einstufige System bei der biologischen Kläranlage wurde in Folge durch ein zweistufiges ersetzt. Dies bedeutete, dass nun auch Phosphor und Stickstoff entzogen werden konnten. Die neue Anlage sollte auf 400.000 Einwohnergleichwerte ausgerichtet sein und einen Abwasserreinigungsgrad von 98 Prozent erzielen. Unter anderem kamen zwei Faultürme dazu, die Zahl der Becken verdreifachte sich – insgesamt vergrößerte sich das Areal noch einmal um 10.000 Quadratmeter Richtung Südwesten.
Ein Blick auf das Heute
Heute werden im Klärwerk Roßau sämtliche Abwässer von Innsbruck und die von 14 Gemeinden aus der Umgebung gereinigt. Seit 2011 verfügt die Anlage über eine Bioabfallaufbereitungsanlage und seit 2016 über ein neues Biomassekraftwerk samt Fotovoltaikanlage an der Fassade. Mit der vor Ort erzeugten Energie versorgt das Klärwerk sich selbst, das Schwimmbad O-Dorf und das Restaurant „deck47" am Baggersee. Das Klärwerk Roßau ist damit auch in Sachen Energieeffizienz zukunftsweisend und -fit.