Vizebürgermeister Georg Willi (r.) begrüßte zahlreiche Teilnehmende zum fünften Workshop im Rathaus der Stadt Innsbruck.
Vizebürgermeister Georg Willi (r.) begrüßte zahlreiche Teilnehmende zum fünften Workshop im Rathaus der Stadt Innsbruck.

Innsbruck stärkt Maßnahmen gegen Obdach- und Wohnungslosigkeit

Beteiligungsprozess bringt strategische Leitlinien und erste Umsetzungsschritte

Die Stadt Innsbruck geht mit großen Schritten in Richtung eines neuen Umgangs mit Obdach- und Wohnungslosigkeit. Mit dem fünften Workshop am 4. Juli 2025 wurde der Beteiligungsprozess zum „Aktionsplan zur Umsetzung der in der Erklärung von Lissabon zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit festgehaltenen Ziele“ erfolgreich fortgeführt. Im Zentrum stehen die Bereitstellung von bedarfsgerechten und qualitätsvollen Obdachloseneinrichtungen, Prävention von Wohnungslosigkeit, der rasche Zugang zu Wohnraum und der Schutz der Menschenwürde – zentrale Anliegen, zu denen sich die Tiroler Landeshauptstadt im Zukunftsvertrag 2024-2030 klar bekennt.

Ein Prozess mit Struktur und Ziel
Seit der Auftaktveranstaltung im Februar 2025 wurden fünf aufeinander aufbauende Workshops durchgeführt – jeder mit klar definiertem Fokus: Der erste Workshop im März widmete sich der Erhebung der Ausgangslage. Themen waren die allgemeine Reflexion zur Obdachlosigkeit in Innsbruck, die Qualität bestehender Einrichtungen sowie die Bedarfe von KlientInnen und Betreuungspersonal. Auch die Zusammenarbeit mit relevanten Stakeholdern wurde reflektiert. In den zweiten und dritten Workshops im April und Mai wurde gemeinsam ein wünschenswerter SOLL-Zustand erarbeitet. Aufbauend auf der Erklärung von Lissabon und der „Homeless Bill of Rights“ als Leitbild, wurden zentrale Prinzipien festgelegt – darunter ein menschenwürdiges, flexibles Unterbringungssystem, das kontinuierliche Betreuung bietet – sowohl sozialarbeiterische als auch medizinische – und klare Übergänge in dauerhaftes Wohnen schafft. Eine zentrale Koordinationsstelle sowie verbindliche Qualitätsstandards werden als unerlässlich angesehen.

Die Workshops vier und fünf (Juni und Juli) standen schließlich unter dem Leitsatz: „Wie kommen wir dorthin?“. Ziel war es, konkrete Maßnahmen zu entwickeln, die den Übergang vom Ist- zum Soll-Zustand ermöglichen. Erstmals wurde der Beteiligungsprozess in fünf inhaltliche Themenbereiche – sogenannte Cluster – gegliedert, die anschließend systematisch bearbeitet wurden.

„Innsbruck steht für eine Stadt der Menschenwürde“, betont der für Soziales zuständige Vizebürgermeister Georg Willi und führt weiter aus: „Dieser Beteiligungsprozess zeigt eindrucksvoll, was möglich ist, wenn Menschen aus Praxis, Verwaltung, Wissenschaft und Politik gemeinsam an einem Ziel arbeiten. In kurzer Zeit ist es gelungen, zentrale Herausforderungen klar zu benennen und erste Lösungen zu entwickeln. Unser Anspruch ist es, obdach- und wohnungslosen Menschen frühzeitig Unterstützung zu bieten – mit konkreten Angeboten, die wirken und ankommen.“

Beim Juli-Workshop standen Themenblöcke wie Mobilität & Infrastruktur sowie Personal und Arbeitsbedingungen auf der Agenda.
Beim Juli-Workshop standen Themenblöcke wie Mobilität & Infrastruktur sowie Personal und Arbeitsbedingungen auf der Agenda.

Vom Konzept zur Praxis
Inhaltlich reicht die Bandbreite der bisherigen Ergebnisse von baulichen Mindeststandards für Unterkünfte über zielgruppenspezifische Angebote bis hin zu strukturellen Fragen wie Personalbedarf, Koordination und Stadtplanung. So wurden etwa Einzelzimmer mit Koch- und Sanitärmöglichkeit als Mindeststandard definiert, ebenso wie ganztägig geöffnete, klein strukturierte Unterkünfte.

Die Notwendigkeit spezifischer Angebote für vulnerable Gruppen – etwa junge Erwachsene, ältere Menschen mit Pflegebedarf oder Menschen ohne sozialrechtlichen Anspruch – wurde ebenso herausgearbeitet wie der dringende Bedarf an medizinischer und psychosozialer Betreuung vor Ort.

Auch übergeordnete Fragen wurden behandelt: Die Forderung nach einer 24/7-Koordinationsstelle zur Vermittlung von Angeboten, die Aktivierung von Leerständen, öffentlich zugängliche Sanitäranlagen und Konsumräume sowie eine stärkere Einbindung anderer Gebietskörperschaften wie Bund, Land und Umlandgemeinden. Erste Umsetzungsschritte befinden sich bereits in der Umsetzung – unter anderem mit voraussichtlich 28 bereitgestellten Housing-First-Wohnungen, der Ausarbeitung der Koordinationsstelle und einer geplanten Bereitstellung von Unterwäsche- und Hygieneartikeln in Kliniknähe.

Thematische Schwerpunkte im Überblick
Im Zuge der beiden letzten Workshops wurden fünf thematische Cluster systematisch bearbeitet:

  • Cluster 1 – Unterkünfte
    Qualität, Quantität, Raumkonzepte, Übergangswohnungen, pflegegerechte Einrichtungen
  • Cluster 2 – Zielgruppenspezifische Angebote
    Safe Spaces, medizinische Betreuung, Notfall-Sozialarbeit
  • Cluster 3 – Mobilität & Infrastruktur
    Öffentliche Verkehrsmittel, rund um die Uhr zugängliche Aufenthaltsräume, Sanitäranlagen, Kleiderautomaten, mobile Konsumräume
  • Cluster 4 – Personal & Arbeitsbedingungen
    Interdisziplinäre Fachkräfte, bessere Betreuungsschlüssel, Supervision, dauerhafte Arbeitsverträge
  • Cluster 5 – Soziale Standards & Koordination
    Verbindliche Qualitätsstandards, Abschaffung der Tagsatzfinanzierung, stärkere Öffentlichkeitsarbeit, zentrale Koordinationsstelle

Beteiligung auf breiter Basis
Der gesamte Beteiligungsprozess wird vom Management Center Innsbruck (MCI) begleitet. Eingebunden sind neben der Stadtverwaltung und politischen VertreterInnen auch Bauträger, das Land Tirol, der Gemeindeverband sowie zahlreiche Organisationen der Wohnungslosenhilfe – darunter Caritas, DOWAS, Chillout, lilawohnt, das Rote Kreuz, die Tiroler Sozialen Dienste (TSD), der Verein für Obdachlose und die Innsbrucker Sozialen Dienste (ISD).

Der nächste Workshop ist für September 2025 geplant und widmet sich der Weiterentwicklung langfristiger strategischer Ansätze. MF