
Die „Hexensach“ des Sebastian Auracher
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts steckte das Zeitalter der Aufklärung noch in seinen Anfängen und der Alltag sowie das Denken und Handeln der Menschen wurde mitunter von ‚befremdlichen‘ Anschauungen bestimmt. So war der Glaube an schädigende Zauberei und Hexerei nach wie vor präsent und das Delikt wurde anhand theologischer und juristischer Richtlinien der Zeit beurteilt und geahndet. Nicht anders verhielt es sich in der Grafschaft Tirol, wo in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts mehrfach nach „Hexenpersonen“ gefahndet wurde. Vermutlich im Frühjahr 1719 wurde im Land- und Stadtgericht Kufstein ein junger Mann von 17 oder 18 Jahren festgenommen.
Gegen Sebastian Auracher aus Kirchbichl lag der Verdacht der Zauberei vor, weshalb er
durch das Gerichtsgremium mehreren Verhören unterzogen wurde. Da die Quellenlage zum Prozess nicht sonderlich umfangreich ist, können das Verfahren und die
Geständnisse nur bruchstückhaft rekonstruiert werden. Trotzdem lässt sich aus den
Unterlagen ableiten, dass Auracher schwerwiegende Vergehen eingestanden hatte: Er
habe sich mit Leib und Seele dem Teufel verschrieben sowie Gott, Maria, die Heiligen und den Schutzengel verleugnet Anschließend sei er zu den Treffen der Hexengesellschaft (Hexensabbat) gegangen, habe Hostien geschändet sowie Kreuze und Heiligenbilder mit einer Geisel geschlagen und auf diese Weise entehrt. Vermutlich dürfte Auracher auch einen eher „unsittlichen“ Lebenswandel geführt haben, denn das Gericht holte bezüglich dessen Umgang mit Frauen in einer Badestube in Hötting sowie zu möglichen sexuellen Vergehen Informationen ein.
Außerdem denunzierte der Angeklagte einige weitere Personen als Komplizen. Unter diesen befand sich der gleichaltrige Anton Andreas Kolb aus Kufstein, der ebenfalls wegen Zauberei festgenommen und im Kräuterhaus, dem landesfürstlichen Gefängnis in Innsbruck, inhaftiert wurde.

Langwieriger Prozess
Während Aurachers Geständnisse ansatzweise bekannt sind, liegen über jene Kolbs keinerlei Informationen vor. Der Verdacht, dass zwischen den beiden jungen Männern bezüglich Zauberei eine Verbindung bestehe, verhärtete sich für die Gerichte jedoch, sodass die Behörden der Tiroler Regierung eine Gegenüberstellung ins Auge fassten. Also wurde Auracher von Kufstein nach Innsbruck transferiert und im Kräuterhaus festgesetzt, jedoch wohlweislich von Kolb getrennt. Wie die Gegenüberstellung verlief und welche Erkenntnisse sie brachte, ist anhand der bekannten Quellen nicht festzustellen.
Das Verfahren zog sich zunehmend in die Länge, da im Oktober 1719 nach angeblichen Komplizen in den Gerichten Landeck und Laudegg geforscht wurde, allerdings ohne Erfolg. Wenig gewinnbringend war auch die Kontaktierung des Salzburger Hofrates im Juni 1720, wo man weitere Zauberbuben vermutete. Die Salzburger Behörden konnten nicht weiterhelfen, bestätigten jedoch, dass Kolb in Salzburg die Schule besucht, es aber nie Anlass zu Klagen gegeben habe. Da zeitgleich auch im Hochstift Freising mehrere Zauberbuben gefangengesetzt waren, schrieb die Tiroler Regierung im September 1721 die Beamtenkollegen mit der Bitte um entsprechende Recherchen an. Doch auch die in Freising Inhaftierten konnten zu Auracher und Kolb keine erhellenden Angaben liefern.
Urteile und Hinrichtung
Nach zwei Jahren wurde der Prozess gegen Sebastian Auracher am 4. Juli 1722 durch ein Gerichtsurteil endlich beendet: Wegen der begangenen „Venefici et Magiæ
[Zaubereien; Anm ]“ sah man ein Todesurteil für diesen vor. Der Angeklagte wurde vermutlich zwischen dem 4. und 9. Juli zur Innsbrucker Richtstätte am sogenannten Köpfplatzl nahe der Kirche Mariahilf (heute Mariahilf-Blöcke) geführt und dort enthauptet und anschließend auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die Verbrennungsreste wurden in der Folge in den Inn gestreut.
Die Ausführung oblag Marx Philipp Abrell († 1738), dem Henker von Hall. Mit dem Urteilsspruch zu Anton Andreas Kolb, der am 29. August 1722 gefällt wurde, fand auch dessen Prozess seinen Schlusspunkt: Da diesem nicht dieselben schweren Verbrechen angelastet werden konnten, wurde von einer Todesstrafe abgesehen. Um ihm aber zu einem besseren christlichen Lebenswandel zu verhelfen, sollte er zur Unterweisung für einige Zeit in das Kapuzinerkloster in Ried im Oberinntal gegeben werden. Nach der Besserung drohte ihm der Einzug in die Armee.
Kritische Stimmen gegen Hexenprozesse hatten sich bereits in der Mitte des 17. Jahrhunderts erhoben und sie sollten sich zunehmend mehren. Dennoch kam es in
Europa noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zu den letzten mehr oder weniger legalen Hexenprozessen. Die 1722 in Innsbruck durchgeführte Hinrichtung stellte diesbezüglich für die Grafschaft Tirol den Schlusspunkt dar.
Eine ausführliche Darstellung des Prozesses ist für die Zeitschriftenreihe „Zeit – Raum
– Innsbruck“ des Innsbrucker Stadtarchivs 2023 vorgesehen.