Die ETAB an der Haller Straße in den 1980er-Jahren – ein Bild, das vielen InnsbruckerInnen noch sehr vertraut ist.
Die ETAB an der Haller Straße in den 1980er-Jahren – ein Bild, das vielen InnsbruckerInnen noch sehr vertraut ist.

Das einstige Bäckerjuwel der Alpen

Vor vier Jahren startete das Autoren-Duo mit Unterstützung des Innsbrucker Stadtarchivs einen Aufruf, um ausreichend Material für eine Geschichte der Ersten Tiroler Arbeiterbäckerei (ETAB) zu bekommen.

von Karl Eller und Michael Svehla

Unsere gemeinsame persönliche Geschichte zur Ersten Tiroler Arbeiterbäckerei (ETAB) begann vor vier Jahren, als wir die Idee hatten, ein Buch über den Werdegang dieser Innsbrucker Traditionsbäckerei zu schreiben.
Mit Unterstützung des Stadtarchives Innsbruck starteten wir einen digitalen Aufruf: Wir suchten Personen, die ihre Erinnerungen an die ETAB für dieses Buch mit uns teilen wollten. Beispielsweise fand sich eine Dame aus Deutschland, die als junges Mädchen in den 1950er Jahren in der ETAB-Filiale in der Maximilianstraße den Beruf der Verkäuferin erlernte und aus dieser Zeit noch einen Brotaufkleber besitzt. Der Sohn des ehemaligen Betriebselektrikers lieh uns freundlicherweise seine Glasplattensammlung aus den 1920er Jahren, die das damalige Betriebsgeschehen in sehr eindrucksvoller Art und Weise dokumentiert. Unser Aufruf schien also den gewünschten Zweck zu erfüllen und so begannen wir mit der Niederschreibung der Unternehmensgeschichte. Grundlage dafür waren vor allem zahlreiche Geschäftsunterlagen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die Karl Eller glücklicherweise aus der Fabrikruine noch retten konnte. Wie sich die ETAB besonders ab den 1970er Jahren entwickelte, auch unter dem Aspekt des außergewöhnlichen Betriebsklimas (die Bäcker fühlten sich durch den Zusammenhalt wie in einer großen Familie), konnte Michael Svehla in zahlreichen Interviews mit ehemaligen MitarbeiterInnen festhalten. So ist nun nach rund vier Jahren ein Buch entstanden, das die wechselvolle Unternehmensgeschichte der ETAB nicht in Vergessenheit geraten lässt.

Brotaufkleber der ETAB, um 1954.
Brotaufkleber der ETAB, um 1954.

Die Gründung
Als am 8. Oktober 1899 drei Innsbrucker Bäcker ihre eigene Bäckerei in einer kleinen Backstube in der Maximilianstraße gründeten, konnte noch niemand erahnen, dass daraus einmal die „größte Bäckerei der Alpenländer“ entstehen werde, die weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt war und deren Erzeugnisse vom Arlberg über Bozen bis nach Kitzbühel geliefert wurden.
Doch der Reihe nach: Schlechte Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne waren der Anlass zur Gründung einer „Arbeiter“-Bäckerei, in welcher neben der Sicherstellung höherer Löhne sowie besserer hygienischer und arbeitszeitlicher Verhältnisse auch ein an Quantität und Qualität besseres Brot hergestellt werden sollte. Selbstredend war dies den selbstständigen Innsbrucker Bäckermeistern ein Dorn im Auge, Proteste und zahlreiche in Umlauf gebrachte falsche Gerüchte standen an der Tagesordnung. Zu diesen Schwierigkeiten gesellte sich einige Jahre später der unfreiwillige Auszug aus der Maximilianstraße – neue Räumlichkeiten wurden rasch in der Dreiheiligenstraße gefunden. Doch trotz dieser zahlreichen widrigen Umstände konnte die Arbeiterbäckerei bald erfolgreich Fuß fassen in der Innsbrucker Bäckerlandschaft und bereits 1906 ein neu erbautes und größeres Produktionsgebäude in der Pradler Straße 68 eröffnen.

Viele Hände bereiten ein schnelles Ende – bei der Zeilenproduktion.
Viele Hände bereiten ein schnelles Ende – bei der Zeilenproduktion.

Auf dem Weg zur Großbäckerei
Als auch dort die Produktion zu klein geworden war, traf man eine weitreichende Entscheidung. An der Haller Straße sollte die größte und modernste Großbäckerei des Alpenraumes entstehen, die eine eigene Teigwaren- und später auch noch eine Konditoreiabteilung umfassen sollte. Federführend an dieser Entwicklung zeichnete neben anderen weiteren bekannten Tiroler Sozialdemokraten wie Simon Abram, Josef Holzhammer und Martin Rapoldi vor allem eine Person – Johann Orszag, der seit 1916 als Geschäftsführer im Vorstand vertreten war. Jedoch sollte ihm keine glückliche Zukunft beschieden sein: Kurz nach dem Anschluss an Nazi-Deutschland wurde er denunziert und nahm sich, in Erwartung einer Verhaftung durch die Gestapo, im Mai 1938 das Leben. Damit war der Weg frei für eine Eingliederung der ETAB in die Stadtwerke Innsbruck. Erst vier Jahre nach Kriegsende konnte die ETAB aus diesem Konstrukt wieder herausgelöst werden, allerdings erlangte sie damit auch nicht mehr ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit, die sie vor dem Krieg innehatte. Die GöC (Großeinkaufsgesellschaft österreichischer Consumvereine) übernahm alle Gesellschaftsanteile und traf somit letztlich sämtliche Entscheidungen. In den 1960er- und 1970er-Jahren sollte die ETAB noch einmal zu alter Stärke aufblühen, als sie Großkunden wie die Klinik und mehrere Kasernen belieferte und beispielsweise 1964 die erste Semmelstraße in Tirol in Betrieb setzte. Mit ihren zahlreichen Filialen (die sie übrigens mit etlichen Verkaufsstellen auch schon in ihren Anfangsjahren betrieb) war sie Vorreiterin eines Unternehmenskonzeptes, welches heute erfolgreich von anderen Tiroler Großbäckereien umgesetzt wird.

Der Niedergang
Als 1978 die Gründung des KONSUM ÖSTERREICH erfolgte, wurde die ETAB in diese Organisation mitübernommen und bildete gemeinsam mit anderen österreichischen Großbäckereien einen eigenen Produktionszweig. Zahlreiche Innovationen sowie eine Namensänderung in Ährenstolz Backwarenbetrieb wurden in den 1980er und frühen 1990er Jahren gesetzt. Als der KONSUM ÖSTERREICH schließlich 1994 in den Ausgleich schlitterte wurde dabei auch die ETAB mitgerissen. Ein Fortführungskonzept durch die Wiener Traditionsbäckerei Ankerbrot misslang, am Ende blieb 1997 die Einstellung der Eigenproduktion und zwei Jahre später – zum 100. Geburtstag – die endgültige Schließung und Demontage des Gebäudes. Dieses verfiel zusehends und wurde durch Vandalenakte im Innenbereich gänzlich zerstört. 2005 erfolgte schließlich der Abbruch, seitdem befindet sich dort eine Filiale der Lebensmittelkette Hofer.

Buchtipp

„Mehr als Brot!“ Die Geschichte der Ersten Tiroler Arbeiterbäckerei (ETAB)
Ein rotes Arbeiterexperiment im schwarzen Tirol.
Aufgezeichnet von Karl Eller und Michael Svehla.
Veröffentlichungen des Innsbrucker Stadtarchivs, Neue Folge, Band 65
Innsbruck 2021