Gemeinsam gegen Gewalt – Gewaltschutz funktioniert nur, wenn wir uns solidarisieren.
Gemeinsam gegen Gewalt – Gewaltschutz funktioniert nur, wenn wir uns solidarisieren.

Genau hinschauen

Das haben sich Referentin Isabella Mitter und ihre Mitarbeiterin Eva Körber-Pichler vom Referat „Frauen, Gleichstellung und Queer“ vorgenommen.

Innsbruck informiert hat sich mit der neu bestellten Referentin zu einem Interview anlässlich der Aktion „16 Tage gegen Gewalt“ getroffen.

Warum sind Frauen immer noch häufiger von Gewalt betroffen?

Es stimmt, dass Frauen häufiger Opfer von Gewalt werden. Gewalt ist jedoch kein reines Frauenthema, die Dunkelziffer ist gerade bei Männern, aber auch queeren Personen sehr hoch. Frauen sind öfter in Abhängigkeitsverhältnissen gefangen, dann tun sie sich schwerer, Beziehungen zu verlassen. Das kann heißen: Sie haben Angst, die Kinder zu verlieren. Sie haben vielleicht kein eigenes Einkommen oder Konto. Es gibt also immer noch Gründe, warum Frauen in gewalttätigen Beziehungen bleiben. Obwohl sich vieles an der allgemeinen Situation von Frauen verbessert hat, bleibt hier noch einiges zu tun.

Kann man Gewalt vorbeugen?

Auf individueller Ebene ist das schwierig. Hier müssen wir aufpassen, dass die Verantwortung für Gewalt nicht auf das Opfer abgeschoben wird. Gesellschaftlich hingegen – ja. Und zwar, indem wir alle aufmerksamer werden. Indem wir auch scheinbar kleine Übergriffigkeiten nicht mehr akzeptieren. Gewalt beginnt oft fast unmerklich, verbal, als „Fürsorge“ getarnt, neigt aber dazu, zu eskalieren. Sie wird häufiger, sie wird intensiver. Umso wichtiger ist es, zu Gewalt in all ihren Formen zu sensibilisieren.

Wie geschieht diese Sensibilisierung?

Zum Beispiel durch Aktionen wie „16 Tage gegen Gewalt“. Sie ist auch Teil der Aufgaben unseres Referats. Etwa indem wir solche Aktionen unterstützen, indem wir uns vernetzen und helfen, die richtigen Anlaufstellen aufzuzeigen. Im Fall von häuslicher Gewalt etwa das Frauenhaus, StoP (Stadtteile ohne Partnergewalt) oder das Gewaltschutzzentrum. Letztlich sind wir aber alle gefragt, hier mitzuhelfen. Und gefordert, auch unsere eigenen Vorurteile zu hinterfragen. Ganz besonders wichtig ist es, schon jungen Menschen bewusst zu machen, dass alle Menschen das Recht auf körperliche wie geistige Unversehrtheit haben.

Wo sehen Sie besondere oder auch neue Herausforderungen?

Erstens sollten wir nicht den Fehler begehen zu glauben, dass einmal Errungenes für immer in Stein gemeißelt ist . Auch bestehende Rechte können wieder verloren gehen. Leider müssen wir das weltweit gerade auch immer wieder beobachten.
Zweitens sind wir als Gesellschaft aufgefordert, Barrieren zu erkennen und aufzubrechen, die eine gleichberechtigte Teilhabe am Miteinander verhindern. Denn auch das ist eine Form von Gewalt: Wenn gesellschaftliche Strukturen verhindern, dass Personen ihr volles Potenzial ausschöpfen können. Es gibt hier bereits tolle Initiativen in Innsbruck, die diese Problematik aufzeigen, etwa Catcalls of Innsbruck oder Aktionstage wie der zum 8. März oder der Equal Pay Day.
Und drittens: Wir müssen endlich endgültig weg von der Täter-Opfer-Umkehr. Um Gisèle Pelicot zu zitieren: „Die Scham muss die Seite wechseln.“
Das Interview führte Iris Ullmann.